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Zeit aufzuwachen: Der global boomende Kaffeekonsum prägt die Anbaugebiete enorm. Entwaldung, Erosion, Landraub und Menschenrechtsverstöße sind Probleme, die für unseren täglichen Verbrauch in Kauf genommen werden. Wie bitter ist unser Kaffee also wirklich? 

Die Wertschöpfungskette von Kaffee ist lang und facettenreich – und leider oft verknüpft mit Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen. Die Situation wird dadurch verkompliziert, dass in den Anbauorten die Auswirkungen des Klimawandels bereits zu spüren sind, wo sie den Anbau für die lokale Bevölkerung immens erschweren. Was muss passieren, damit unser Konsum Umwelt und Mensch nicht mehr schadet?

Fünf Fast Facts zum Thema Kaffee

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1.

Kaffee wächst im sogenannten Kaffeegürtel – dieser erstreckt sich entlang des Äquators durch fünf Kontinente: Südamerika, Nordamerika, Afrika, Asien und Ozeanien.

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2.

Kaffee stellt die Lebensgrundlage von rund 125 Millionen Menschen weltweit dar – ist allerdings für die meisten keine zuverlässige Einkommensquelle. 

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3.

Jede*r Deutsche konsumiert im Schnitt 169 Liter Kaffee im Jahr – das entspricht in etwa der Füllmenge einer großen Badewanne.

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4.

Entlang der Wertschöpfungskette von Kaffee kommt es häufig zu Verstößen gegen Umwelt- und Menschenrechte.

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5.

Das Koffein in den Blättern der Kaffeepflanze dient ihr als natürlicher Insektenschutz.

Wie und wo wächst Kaffee?

Der Kaffeebaum (Genus Coffea) ist ein tropischer, immergrüner Strauch, der zu den Rötegewächsen (Rubiaceae) zählt und zwischen dem Nördlichen und Südlichen Wendekreis im sogenannten Kaffeegürtel wächst. Dieser erstreckt sich entlang des Äquators um den ganzen Planeten und bietet mit seinen hohen Niederschlägen und tropischem Klima die perfekten Bedingungen für den Kaffee. Kaffeepflanzen werden nur etwa drei bis dreieinhalb Meter hoch und werden in der Wildnis vor allem im schattigen Untergeschoss tropischer Regenwälder gefunden. Die Bäume blühen in rosa oder weißen, stark duftenden Blüten, aus welchen sich später die roten Kaffeekirschen entwickeln.

Insgesamt gibt es über 125 verschiedene Unterarten des Genus Coffea – doch nur zwei von ihnen sind relevant in der globalen Produktion: der Arabica-Kaffee (coffea arabica) und der Robusta-Kaffee (coffea canephora). Arabica gilt als die hochwertigere Sorte und macht etwa 55 Prozent der globalen Produktion aus, Robusta die übrigen 45 Prozent. Dabei gelten Robusta-Pflanzen als resilienter gegenüber Krankheiten, weisen einen höheren Ertrag auf und enthalten obendrein mehr Koffein – aus diesem Grunde ist der Anbau von Robusta in der Regel günstiger als der von Arabica. Übrigens: Der hohe Koffeingehalt in den Blättern dient der Pflanze als Schutz gegen Fressfeinde und Parasiten.

Kaffee wächst in über 80 Ländern, doch der Großteil der weltweiten Produktion findet in nur wenigen Ländern statt. Die fünf größten Kaffeeproduzenten sind Brasilien, Vietnam, Indonesien, Kolumbien und Äthiopien, wobei Brasilien unangefochten an der Spitze steht. Mit einer schwindelerregenden Menge von 40 Millionen Tonnen, die das Land im Jahr 2023/2024 produzierte, machte Brasilien ganze 39,2 Prozent der globalen Kaffeeproduktion aus.

Was haben Ziegen mit der Entdeckung von Kaffee zu tun?

Ursprünglich stammt der Kaffeebaum aus der Plateauregion Kefa in Äthiopien – davon gehen Expert*innen und Historiker*innen jedenfalls aus. Ganz sicher über die Herkunft der Pflanze ist sich die Wissenschaft allerdings nicht. Dafür ranken sich viele Legenden und Mythen um die Entdeckung des Kaffees – eine der bekanntesten ist die Geschichte des Ziegenhirten Kaldi, der sich über das energiegeladene Verhalten seiner Ziegen wunderte, nachdem sie Kirschen von einem Kaffeebaum gefressen hatten und nachts nicht schlafen wollten.

Wer trinkt weltweit den meisten Kaffee?

Wenn auch Kaffee ursprünglich vom afrikanischen Kontinent stammt, gelangte er im 17. Jahrhundert nach Europa und erlangte schnell eine unverzichtbare Stellung in unser aller Alltag. 79 Prozent aller Deutschen trinken täglich oder mehrmals die Woche Kaffee, was ihn laut einer Markterhebung im Auftrag des Deutschen Kaffeeverbands zum Lieblingsgetränk der Nation macht – noch vor Bier. Ganze vier Tassen gönnen sich deutsche Bürger*innen im Schnitt jeden Tag. 2021 summierte sich das auf jährlich rund 169 Liter Kaffee pro Kopf, was in etwa der Füllmenge einer großen Badewanne entspricht. 

Weltweit wird allerdings in Luxemburg am meisten Kaffee getrunken – rund 8,5 Kilo pro Person werden hier jährlich konsumiert. An zweiter Stelle liegt Finnland mit 6,85 Kilo, gefolgt von den Niederlanden und Schweden. Deutschland schafft es in diesem Ranking mit 4,8 Kilo Röstkaffee pro Kopf lediglich auf Platz zehn.

Von der Plantage in die Tasse – Die Wertschöpfungskette von Kaffee

Die Wertschöpfungskette einer Tasse Kaffee ist sehr facettenreich – denn um die rohe Kaffeekirsche zu dem verwendungsfertigen Pulver zu verarbeiten, sind viele Schritte notwendig. Von Anbau und Ernte zur Aufbereitung der Kirschen bis zu Export, Röstung, Verkauf und schließlich Konsum, ist der Weg vom Feld in die Tasse sehr lang. Die Menge des geernteten Kaffees reduziert sich beim weiteren Prozess sehr stark: Um ein Kilo Röstkaffee herzustellen, müssen so etwa sieben bis acht Kilo Kaffeekirschen geerntet werden.

Die Geschichte jeder einzelnen Tasse Kaffee beginnt natürlich beim Anbau. Obwohl vor allem die Arabica-Pflanze sich besonders im Schatten anderer, größerer Bäume wohlfühlt, wird Kaffee häufig auf Plantagen angebaut. Denn hier wachsen die Pflanzen unter der höheren Sonneneinstrahlung meist schneller, können leichter gedüngt und gespritzt werden und auch die Ernte kann so effizienter stattfinden. Nach der Pflanzung brauchen die Kaffeesträucher zwischen drei und vier Jahren, um die ersten Früchte zu tragen. Ob die Ernte ertragreich ausfallen wird, lässt sich an der Blüte der Pflanzen feststellen. Obwohl diese Prognosen sich durch Naturereignisse wie Dürren, heftige Regenfälle oder sogar Frost ändern können, spielen sie jedes Jahr eine wichtige Rolle für die Markteinschätzungen. Auch der Preis für den Rohkaffee wird hierdurch beeinflusst. Etwa acht Monate nach der Blütezeit bilden sich die Kirschen, welche jeweils zwei Bohnen in sich tragen. Wenn sich die Kaffeekirschen rot färben, sind sie bereit für die Ernte – in Anbauländern nördlich des Äquators wird meist zwischen September und Dezember geerntet, südlich des Äquators beginnt die Erntesaison hingegen meist im April oder Mai und kann bis September anhalten. In einigen Anbaugebieten, die in direkter Äquatornähe liegen, kann das ganze Jahr über Kaffee geerntet werden.

Es gibt drei verschiedene Methoden zur Ernte, die je nach Terrain und Beschaffung der Plantage angewandt werden. Zum einen ist das die Pflückung mit der Hand – diese traditionelle Methode hat den Vorteil, dass tatsächlich nur die reifen Kirschen gepflückt werden, was die Qualität des Kaffees erhöht. Auch der Baum wird bei dieser Technik nicht verletzt und der Zugang zu steilen und abgelegenen Plantagen ist gut möglich. Andererseits ist sie sehr zeitaufwändig. An steilen Hängen wird vorwiegend mit dieser Methode geerntet.

Auch bei der sogenannten Strip-Pflückung wird in erster Linie mit der Hand gearbeitet. Hierbei werden ganze Zweige der Kaffeepflanze gestrippt, die Kirschen – reife und unreife – fallen dabei auf ein auf dem Boden ausgebreitetes Tuch.

Die maschinelle Ernte ist meist nur auf großen Plantagen mit verhältnismäßig flachem Terrain möglich. Mit großen Erntemaschinen werden hier ähnlich wie bei der Stripping-Methode die Kirschen von den Ästen gezogen, was die Bäume verletzen kann und die Unterscheidung von reifen und unreifen Kirschen unmöglich macht. Zwar ist die Ernte mit Maschinen sehr viel schneller als die händischen Methoden, allerdings lässt hierdurch auch die Qualität des Endprodukts nach.

Die Kaffeebohnen werden im nächsten Schritt der Verarbeitung vom Fruchtfleisch der Kirschen getrennt, fermentiert und getrocknet. In welcher Reihenfolge diese Schritte geschehen, hat großen Einfluss auf den Geschmack des Kaffees. Die drei verbreitetsten Methoden der Weiterverarbeitung sind die trockene Aufbereitung, auch natürliche Aufbereitung genannt, die halbtrockene oder „Honey-Processed“-Aufbereitung und die nasse Aufbereitung.

Trockene Aufbereitung: Diese Art der Aufbereitung ist eine alte und besonders günstige Methode. Die gepflückten Kirschen werden für zehn bis 30 Tage zum Trocknen in die Sonne gelegt. Während dieses Prozesses werden sie regelmäßig gewendet, damit sie ebenmäßig trocknen können. Wenn die Kirschen vollständig getrocknet sind, wird das Fruchtfleisch entfernt, wobei meist Maschinen zum Einsatz kommen. Kaffee, der trocken aufbereitet wurde, zeichnet sich durch seinen milden, vollmundigen Geschmack aus.

Halbtrockene Aufbereitung: Nach dem Ernten werden die Kirschen entpulpt und anschließend getrocknet. Trotz der Entpulpung bleibt häufig noch ein wenig Fruchtfleisch an den Kirschen. Die Pulpreste bleiben für den nächsten Schritt, der Fermentierung, für ein bis drei Tage an den Bohnen, bevor diese anschließend getrocknet werden. Mit einer Mühle wir im letzten Schritt das restliche Fruchtfleisch von den Bohnen entfernt. Wie der Name andeutet, hat Honey-processed-Kaffee meist eine süßliche Note.

Nasse Aufbereitung: Bei diesem Prozess werden die Kirschen nach dem Sortieren direkt entpulpt und anschließend in einen Wassertank gegeben, wo sie 24 bis 72 Stunden fermentiert werden. Im anschließenden Schritt werden sie getrocknet und sind dann bereit für die weitere Verarbeitung. Nass aufbereiteter Kaffee zeichnet sich durch seinen klaren Geschmack und seine natürliche Säure aus.

Die Röstung der aufbereiteten Bohnen ist der nächste Schritt in der Herstellung einer Tasse Kaffee. Dieser Prozess findet meist nach dem Export statt. Die rohen, hellen Bohnen werden in eine Rösttrommel gegeben und dann auf Temperaturen zwischen 200 und 220 Grad Celsius erhitzt. In industriellen Röstöfen werden sogar Temperaturen von bis zu 800 Grad Celsius erreicht, um eine möglichst viel Kaffee in kürzester Zeit rösten zu können. Damit es zu einer möglichst gleichmäßigen Röstung kommt, wird der Kaffee in der Trommel andauernd gewendet. Wie lange die Bohnen genau geröstet werden, kommt auf das gewünschte Endprodukt an: Allgemein wird zwischen der hellen, mittleren und dunklen Röstung unterschieden. Eine helle Röstung zeichnet sich durch einen hellen, klaren und säuerlichen Geschmack aus, während die mittlere Röstung ausgeglichene und abgerundeten Aromen aufweist. Die dunkle Röstung gilt als besonders aromatisch und weist Noten von Schokolade und Karamell auf. 

Die Röstung ist ein ausschlaggebender Schritt in der Wertsteigerung des Kaffees – besonders Deutschland macht mit der Röstung und dem weiteren Vertrieb jedes Jahr enorme Umsätze. Weltweit stehen wir derzeit an der Spitze des Exports von Röstkaffee.

Entwaldung, Artensterben und Wasserverschmutzung – Die ökologischen Folgen unseres Kaffeekonsums

Unser steigender Kaffeekonsum hat schwere Konsequenzen für ganze Ökosysteme in den produzierenden Ländern. Denn um den weltweiten Kaffeedurst zu stillen, müssen riesige Plantagen angelegt werden. Allein die weltweite Erntefläche im Jahr 2022 betrug laut FAO rund 13 Millionen Hektar – das entspricht ziemlich genau der Fläche Englands. Die tatsächliche Anbaufläche von Kaffee ist dabei noch höher, da neu angelegte Felder, die noch nicht abgeerntet werden können, noch nicht mit eingerechnet wurden.

Laut einer 2019 veröffentlichten Studie wurden in den vergangenen zwanzig Jahren weltweit circa 130.000 Hektar Waldfläche jährlich für Kaffeeanbau gerodet. Im Vergleich zu der Entwaldung, die für die Herstellung anderer Lebensmittel, wie etwa Rind und Soja anfällt, ist die durch Kaffee jährlich entwaldete Fläche aus einer globalen Perspektive recht gering. Da die Zerstörung von Tropenwald für den Kaffeeanbau häufig in Ländern mit Biodiversitäts-Hotspots – wie den Regenwäldern in Brasilien, Vietnam und Indonesien – stattfindet, haben Rodungen und Landnutzungsänderungen jedoch schwerwiegende Folgen für die lokale Biodiversität, da viele Tier- und Pflanzenarten ihren natürlichen Lebensraum verlieren.

Die neu angelegten Plantagen machen den Boden anfälliger für Erosion. Auch die Nutzung von Pestiziden stellt eine Bedrohung für die Umwelt dar – gerade in Brasilien, dem führenden Kaffeeproduzentenland. Um die 38 Millionen Kilogramm Pestizide werden dort jährlich in der Kaffeeproduktion verwendet. Durch Spritzungen, aber auch bei der Weiterverarbeitung des Kaffees, kommt es in Anbauregionen vermehrt zu einer Vergiftung des Ökosystems und zur Verschmutzung des Grundwassers. Auch der insgesamte Wasser- und CO2-Fußabdruck von Kaffee stellt eine nicht zu unterschätzende ökologische Belastung dar.

Der Wasserfußabdruck einer Tasse Kaffee

Der Wasserfußabdruck einer Tasse Kaffee ist größer, als vielen Konsument*innen bewusst ist. Für eine einzelne schwarze Tasse Kaffee – etwa 250 Milliliter á 15 Gramm – werden circa 280 Liter Wasser benötigt. Der Großteil des Wasserfußabdrucks kommt dabei beim Anbau zustande. 

Auch hier ist das Hinzufügen von Milch ausschlaggebend für die Größe des Fußabdrucks: Für einen Kuhmilch-Latte werden etwa 620 Liter Wasser benötigt – also mehr als die doppelte Menge Wasser wie für eine schwarze Tasse Kaffee. Für einen Cappuccino mit Kuhmilch sind es durch die geringere Menge an Kaffee und Milch 260 Liter Wasser, die verbraucht werden. Wie auch beim CO2-Fußabdruck kann auch hier der Umstieg auf etwa Hafermilch einen gewaltigen Unterschied machen. Ein Hafer-Latte beispielsweise braucht weniger als die Hälfte des Wassers, das für einen Kuhmilch-Latte benötigt wird.

CO2-Fußabdruck einer Tasse Kaffee

Laut einer umfassenden Studie aus 2018 hat ein Kilo gerösteter Kaffee einen ökologischen Fußabdruck von 28,53 Kilogramm CO2-Äquivalenten (CO2-eq). Rechnet man das auf eine große Tasse schwarzen Kaffee von etwa 250 Millilitern herunter, die mit 15 Gramm Kaffeepulver gebrüht wird, werden 0,35 Kilogramm CO2-eq ausgestoßen. Für einen Shot Espresso (ca. 7 Gramm) fallen etwa 0,16 Kilogramm CO2-eq an.

Entlang der Wertschöpfungskette werden die meisten Emissionen dabei bei Landnutzungsänderungen (3,82 CO2eq pro Kilo) und während des Anbaus (10,75 CO2eq pro Kilo) verursacht. Die Verarbeitung kostet weitere 0,61 Kilo CO2eq pro Kilo Kaffee, Transport und Verkauf zusammengerechnet nur 0,18 Kilogramm CO2eq. Verhältnismäßig viel CO2-eq, ca. 11,5 Kilo pro Kilo Kaffee, entsteht durch den Verlust von Kaffeebohnen entlang der Lieferkette.

Für Cappuccinos, Latte Macchiatos und Flat Whites wird durch die Zugabe von Milch mehr Kohlenstoffdioxid ausgestoßen: Für einem Latte Macchiato mit Kuhmilch werden rund 0,85 Kilo CO2eq frei, für einen Cappuccino 0,35. Pflanzliche Milch ist hier eine klimafreundliche Alternative: Ein Hafer-Latte verursacht nur etwa 0,47 Kilo CO2eq-Emissionen, ein Hafer-Cappuccino sogar nur 0,21 Kilo CO2-eq.

Der koloniale Hintergrund von Kaffee

Der Erfolg der heute boomenden Kaffeeindustrie ist auf einer düsteren Geschichte von Kolonialismus und Sklaverei begründet. Nach der Einführung des Kaffees in Europa wurde er dort im 18. Jahrhundert so populär, dass die Nachfrage immer größer wurde. Als Folge legten europäische Kolonialmächte wie Spanien, Portugal, Großbritannien und die Niederlande in ihren Kolonien riesige Kaffeeplantagen an. Unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiteten dort versklavte Menschen. Viele der Sklaven auf den Plantagen waren afrikanischer Herkunft: Denn neben der Produktion von Baumwolle und Zucker war Kaffee ein großer Treiber des atlantischen Sklavenhandels zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. Doch auch indigene Menschen waren gezwungen, auf den Plantagen zu arbeiten, nachdem sie von ihrem eigenen Land vertrieben wurden.

Plantagenbetreiber und Händler verdienten massiv an dieser Ausbeutung, während die Anbaugebiete sozial und ökologisch mehr und mehr von den Folgen gezeichnet wurden. Noch heute spiegeln sich diese kolonialen Strukturen in der ungleichen Verteilung der Gewinne und den prekären Lebensbedingungen vieler Kaffeeproduzent*innen wider.

Kinderarbeit, Vergiftung und Landraub: Soziale Folgen des Kaffeebooms

Die Wertschöpfungskette von Kaffee ist außerdem sehr anfällig was die Verletzung von Menschenrechten angeht: Kinder- und Zwangsarbeit sind auf den Plantagen keine Seltenheit, was durch Faktoren wie etwa Armut in den Anbaugebieten begründet sein kann, jedoch durch fehlende Kontrollen in der Industrie begünstigt wird. Laut der International Labour Organization (ILO) ist der Kaffeesektor nach Gold, Steinen und Zuckerrohr der Sektor mit der größten Anzahl an Kinderarbeiter*innen. Auf den Feldern kommen die Arbeiter*innen oft mit gefährlichen Pestiziden in Kontakt, was zu zahlreichen gesundheitlichen Problemen führen kann: darunter Atemwegs- oder Hauterkrankungen, Bluthochdruck, Organschädigungen, Herzproblemen und sogar Krebs. Expert*innen warnen außerdem vor Kontaminationen von Grundwasser und ganzen Ökosystemen durch Pestizide, die in Kaffeeanbaugebieten vermehrt beobachtet wurden. Nicht nur Arbeiter*innen sind so von den Chemikalien betroffen, sondern auch die lokale Bevölkerung.

In den vergangenen Jahren ist der Kaffeeanbau auch immer wieder mit Landraub in Verbindung gebracht worden. Ein Beispiel dafür trug sich 2001 in der ugandischen Stadt Mubende zu. Zugunsten des deutschen Großhandelsunternehmen Neumann Kaffee Gruppe (NKG) – dem größten Rohkaffeedienstleister weltweit – wurden dort mit Hilfe des ugandischen Militärs rund 4.000 Menschen gewaltsam vertrieben und die größte Kaffeeplantage des Landes angelegt. Die NKG hatte kurz zuvor mit der Regierung einen rechtswidrigen Deal geschlossen. Bei dem Überfall auf die Bewohner*innen wurden ihre Häuser, ihr Besitz und ihr Lebensunterhalt zerstört, Nutztiere getötet und Menschen so gewaltsam verletzt, dass sie an den Folgen starben. Auch im Nachhinein kam es durch die vollständige Mittellosigkeit der Bewohner*innen zu mehreren Todesfällen. Noch 22 Jahre später kämpfen die Bewohner*innen für Gerechtigkeit. Auch in Brasilien kommt es immer wieder zu Fällen von Landraub in Zusammenhang mit der Kaffeeindustrie.

Ein ungerechtes Geschäft – Wer verdient wie viel an einem Kilo Kaffee?

Kaffee ist die Lebensgrundlage von rund 125 Millionen Menschen weltweit. Obwohl er in vielen Ländern auch von Großbetrieben angebaut wird, werden 80 Prozent des Kaffees weltweit von kleinbäuerlichen Betrieben produziert – insgesamt geht man von etwa 25 Millionen Kleinbäuer*innen aus, die unseren täglichen Konsum ermöglichen. Ein zuverlässiges Einkommen stellt Kaffee allerdings nicht dar – die Ernten sind stark von den Wetterverhältnissen und anderen Faktoren wie zum Beispiel Krankheiten der Pflanzen abhängig, was zu einer Fluktuation im Kilopreis führt. Die Kleinbäuer*innen bekommen nur etwa sieben Prozent des finalen Verkaufspreises bezahlt. Mindestens 5,5 Millionen der Kaffeebäuer*innen leben unter der Armutsgrenze von 3,20 US-Dollar. Ein eingeschränkter Zugang zu etwa Bildung und Gesundheitsversorgung macht es vielen Menschen beinahe unmöglich, der Armut zu entkommen – dadurch sind sie gezwungen, weiter in der Industrie zu arbeiten.

Auch die Verteilung des Profits, der entlang der Wertschöpfungskette Kaffee entsteht, ist leider von Ungleichheiten geprägt: Von den rund 8,06 Euro, die ein Kilo gemahlener Kaffee in Deutschland im Schnitt kostet, gehen nur etwa 41 Cent an die Farmer*innen. Händler*innen verdienen nur etwa 26 Cent, der Export 29 Cent an einem Kilo. Die Röstereien nehmen mit 89 Cent mehr als doppelt so viel ein wie die Menschen im Kaffeeanbau – und das, obwohl der Arbeitsaufwand beider Prozesse in keinem Verhältnis steht. Die mit Abstand größten Gewinne gehen mit 1,39 Euro an den Verkauf und mit 2,19 Euro an die deutsche Kaffeesteuer.

Naturpositiver Anbau, transparente Lieferkette: OroVerdes Einsatz für nachhaltigen Kaffee

Die Kaffeeproduktion ist in vielen unserer Projektgebiete ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor – und eine grundlegende Einkommensquelle für viele Menschen. Besonders in den beiden Projekten KlimaWald und BioFinCas wird dies immer wieder deutlich. Das Projekt KlimaWald arbeitet auf Kuba und auf Hispaniola unter anderem an der Anpassung von Landwirtschaft und Ökosystemen an den Klimawandel. Das Projekt BioFinCas konzentriert sich hingegen auf nachhaltige Lieferketten in Mexiko, Guatemala und ebenfalls der Dominikanischen Republik. Der Kaffeeanbau ist in diesen beiden Zusammenhängen ein wichtiger Ansatzpunkt: Denn angesichts der sich ändernden Klimabedingungen ist ein Wandel im konventionellen Kaffeeanbau unbedingt notwendig. Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den Projektgebieten bereits zu spüren und erschweren den lokalen Kaffeebäuer*innen den Anbau enorm. Vermehrte Starkwetterereignisse wie Stürme und Dürren machen die Ernten unsicherer und ertragsärmer.

Wie kann also der Anbau nachhaltiger gestaltet werden? In den Projektgebieten wird Kaffee in Agroforstsystemen angebaut – eine sehr effektive und nachhaltige Alternative zu Monokulturen. Im Schatten größerer Bäume, wie etwa Bananenstauden, wird hier Kaffee gepflanzt und auf umweltschonende Art und Weise geerntet. Um die lokale Kaffeeindustrie gegen die steigenden Temperaturen zu rüsten, werden außerdem immer mehr resilientere Kaffeesorten in Betracht gezogen, wie etwa die Sorte Catimor, eine Kreuzung aus einer Arabica- und einer Robustasorte. Catimor-Kaffeepflanzen sind für ihre Resilienz gegenüber Krankheiten und Hitze bekannt und eigenen sich so hervorragend für den Anbau unter härteren Klimabedingungen. Auch für Pestizide gibt es naturpositive Alternativen, die im Projekt bereits Erfolg zeigen. Gegen den Kaffeebohrer, einen Schädling, der besonders auf Hispaniola Kaffeeernten dezimiert, wirkt der Pilz Beauvaria bassiana, der sich in den schattigen Agroforstsystemen wohlfühlt. Auch natürliche Fressfeinde der Käfer, wie etwa Vögel und Insekten, sind in den Agroforstsystemen zuhause und helfen bei der Bekämpfung gegen den Schädlingsbefall. 

Fairer Kaffee von „Dandos Pasos“: Fraueninitiative in der Dominikanischen Republik

Dass der nachhaltige Anbau von Kaffee und dessen Weiterverarbeitung weitreichend neue Perspektiven eröffnen kann, zeigt ein Teil des KlimaWald-Projektes und OroVerdes-Partnerorganisation Enda Dominicana. In Juan Santiago, in der dominikanischen Provinz Elías Piña, produziert das ausschließlich weiblich geführte Kleinstunternehmen „Mujeres Dando Pasos“ regionalen Kaffee selbst. 26 Frauen sind an Anbau, Ernte, Verarbeitung, Röstung, Verpackung und Vermarktung beteiligt.

Zwei von ihnen sind Doña Olepida, die Präsidentin, und Doña Mary, die Schatzmeisterin des Unternehmens. Beide Frauen sind bereits seit der Gründung von „Mujeres Dando Pasos“ im April 2018 mit dabei und haben die Entwicklung ihres Kaffees „La Cañita“ zu einem lokalen und regionalen Erfolg miterlebt und mitgestaltet.

Die Kaffeeinitiative ist nicht nur eine unmittelbare Einkommenssteigerung für die Frauen, sondern legt auch den Grundstein für eine nachhaltige Zukunft im Anbau. Durch den Aufbau eines eigenen Einkommens können die Frauen wirtschaftlich unabhängiger agieren, und erhalten auch mehr Entscheidungsfreiheit über Anbaumethoden und -praktiken. Dabei wird verstärkt auf ökosystemschonende Methoden gesetzt, die langfristig die Fruchtbarkeit und Gesundheit der Böden bewahren. So stärkt die Initiative nicht nur die Rolle der Frauen in der Gemeinschaft, sondern trägt gleichzeitig zur Erhaltung der Biodiversität und der natürlichen Ressourcen bei.

 

Ganz schön abgebrüht: Kaffee aus Löwenzahn, Lupine oder Chicorée als Alternative

Wer aus gesundheitlichen oder ökologischen Gründen auf den Bohnenkaffee verzichtet, kann zu einer stetig wachsenden Reihe an Alternativen greifen. Kaffee aus Getreide, Samen oder Pflanzenwurzeln ist nicht nur nachhaltig, sondern hat auch eine lange Tradition. Schon im 17. Jahrhundert wurde in Europa ein kaffeeähnliches Getränk aus Zichorien- oder Chicoréewurzeln hergestellt, um eine Alternative zu Bohnen Kaffee zu bieten, der damals als Luxusgetränk nur von den Reichen getrunken wurde. Auch Getreide- und Malzkaffee aus Gerste und Roggen wird schon seit dem 19. Jahrhundert hergestellt und ist noch immer ein beliebtes koffeinfreies Substitut für Bohnenkaffee. Sogar aus den Wurzeln von Löwenzahn und Eicheln kann ein kaffeeähnliches Getränk hergestellt werden.

Lupinenkaffee, der aus den gerösteten Samen der Süßlupinenpflanze hergestellt wird, kommt dem Geschmack von Bohnenkaffee am nächsten. Der Geschmack ist leicht süß, bitter und weist feine Röstnoten auf. Er kann wie normales Kaffeepulver in der Maschine, im Filter oder in der French Press aufbereitet und sogar zu Cappuccinos oder Latte Macchiatos aufbereitet werden.

Kaffeeersatz gewann insbesondere in der Nachkriegszeit einen besonderen Stellenwert – denn Bohnenkaffee war nur sehr schwer zu bekommen. Vielerorts ist Kaffeeersatz aus Getreide oder Lupinen als Muckefuck oder Muggefugg bekannt.

Zeit für Veränderung?

Was genau muss passieren, um den Kaffeekonsum nachhaltiger zu gestalten?

Transparente und faire Lieferketten: Um den Anbau und Konsum von Kaffee nachhaltig umzugestalten, müssen dringend die humanitären und ökologischen Probleme – etwa Kinderarbeit und Entwaldung – entlang der Lieferketten dringend angegangen werden. Hier sind vor allem Produktions- und Handelsunternehmung in der Verantwortung, strengere Kontrollen durchzuführen und entlang der Lieferketten mit klaren Richtlinien gegen Verstöße vorzugehen. Die Zusammenarbeit mit Zertifizierungsstellen und Nichtregierungsorganisationen kann helfen, nachhaltige Anbaumethoden und sichere und faire Arbeitsbedingungen durchzusetzen.

Nachhaltiger Anbau: Auch der Anbau selbst kann so umgestaltet werden, dass Erosion, Wasserknappheit und Entwaldung vermieden werden. Hierfür müssen mehr Produzent*innen vom Plantagenanbau weg zu ganzheitlichen Methoden wie der Agroforstwirtschaft wechseln. Dieses Anbausystem fördert die Artenvielfalt, lässt verschiedene Pflanzen voneinander profitieren und nutzt Wasser effizienter.

Umstellung in der Gastronomie: Ebenso stehen Cafés und andere Gastronomiebetriebe weltweit in der Verantwortung, sich nachhaltig umzuorientieren. Dies kann zum Beispiel durch den Ein- und Verkauf von zertifiziertem, fair und ökologisch angebautem Kaffee geschehen. Der Direktimport von fairen Kaffeeproduzent*innen kann zum Beispiel eine Lösung sein – denn hierdurch wird die Lieferkette stark gekürzt und ist so besser überschaubar. Auch das Angebot von Kaffeealternativen in der Gastronomie – etwa Getreidekaffee oder andere Heißgetränke wie Chai oder Kurkuma Latte – kann helfen, den Kaffeekonsum etwas zu reduzieren.

Anpassung des Privatkonsums: Auch privat können Kaffeetrinker*innen durch bewusste Kaufentscheidungen einen Unterschied machen: Denn wer fairen und nachhaltigen Kaffee kauft, stärkt die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten. Auch die Menge des Konsums sollte überdacht werden – wird der Kaffee nach dem Frühstück oder in der Büroküche weggeschüttet? In diesem Fall ist es zum Beispiel nachhaltiger, eine kleine Kanne zu kochen und bei Bedarf noch mehr aufzusetzen.

Projektförderung

Diese Seite entstand im Rahmen des BNE-Projekts „Transformation“. Dieses Bildungsprojekt wird gefördert durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen und ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des BMZ.

Sie haben Fragen? Wir helfen Ihnen gerne weiter!

OroVerde - Die Tropenwaldstiftung
Telefon: 0228 24290-0
info[at]oroverde[dot]de

Bildnachweis: JSB Co via Unsplash Plus (Titelbild), Mariela Ferbo via Unsplash Plus (Kaffeeernte, Kaffeekirschen am Baum, geerntete Kaffeekirschen, Fruchtfleischentfernung), Unsplash Plus (Kaffeeröstung), OroVerde - E. Bakker (Infografik "Vom Feld in die Kaffeetasse", Infografik "Ökobilanz einer Tasse Kaffee", Infografik "Kaffeespezialitäten im Vergleich"), George Dagerotip via Unsplash Plus (Kaffeekirschen in der Hand), OroVerde - K. Osen (Mujeres Dandos Pasos). 

Die Infografiken beziehen sich auf Zahlen aus den wissenschaftlichen Papern von Mekonnen und Hoekstra 2012 (Wasserfußabdruck), Poore and Nemecek 2018 via Our World in Data (CO2-Fußabdruck) und aus einer Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg 2020. 

Hier geht es zu den Quellen dieser Seite. 

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