Viele verschiedene Arten haben wichtige Wechselbeziehungen miteinander entwickelt. Vor allem in den Tropen sind viele Arten so aufeinander abgestimmt, dass sie ohne einander nicht überleben könnten. Besonders hier hat der Verlust von schon einer einzelnen Art unverhersehbare Folgen für das gesamte Ökosystem. Das Beispiel Tukan und Jussara-Palme.
Großschnabel-Tukane wie der Bunttukan leben im Atlantischen Regenwald von Brasilien. Sie und viele andere Vögel dort ernähren sich vor allem von Früchten. Mit ihrem großen Schnabel fressen die Tukane größere Früchte als die kleineren Vögel. Die Pflanzen, deren Früchte gefressen werden, haben auch etwas davon: die Frucht wird zwar gegessen, aber die Samen werden nicht verdaut und nach einiger Zeit vom Vogel/Tukan ausgeschieden. Aus dem ausgeschiedenen Samen kann wieder eine neue Pflanze wachsen, oft weit entfernt von der Ursprungspflanze. So verbreiten die verschiedenen Vögel Bäume, Sträucher und Palmen.
Die Jussara-Palme
Eine der häufigsten Pflanzen im atlantische Regenwald ist die Jussara-Palme. Bei ihren Samen gibt es eine Besonderheit: Aus kleinen Samen wachsen meistens auch kleine Palmen, aus großen Samen große Palmen. Und das gilt auch umgekehrt: die kleinen Palmen produzieren mehr kleine Samen, die großen mehr große. Deshalb werden die Samen der klein wachsenden Palmen vor allem von den kleinen Vögeln gefressen und verbreitet, und die Samen der groß wachsenden Palmen vor allem von den Tukanen. Soweit so gut. Solange es Tukane und kleine Vögel in einem Gebiet gibt, gibt es Palmen in den unterschiedlichsten Größen.
Trockenheit und Palmengröße
Eine weitere Besonderheit der Jussara-Palme und ihrer Samen hat mit dem Wetter zu tun: Ist es eher trocken, dann haben die kleinen Samen und die daraus wachsenden Palmen ein Problem: die kleinen Samen keimen bei Trockenheit schlechter, das heißt, aus ihnen entstehen weniger häufig Palmen. Und die Palmen, die wachsen, kommen dann mit Trockenheit auch weniger gut klar. Das heißt dann auch, dass bei längerer Trockenheit in einem Gebiet nur noch große Palmen überleben. Und deren große Früchte und Samen, so wissen wir bereits, werden nur von den Tukanen gefressen und verbreitet.
Ohne Tukan geht es nicht
Der Atlantische Regenwald wird jedoch immer mehr zerstört, vor allem um dort Eukalyptus-Plantagen für die Papierindustrie anzulegen. Das zerstört den Lebensraum der Tukane. Zusätzlich werden die Tukane gefangen und gegessen. Verschwinden die Tukane, können nur noch die kleinen Vögel die Samen der Jussara-Palme verbreiten. Das heißt, es werden nur noch kleinere Samen verbreitet. Bei Trockenheit keimen diese entweder gar nicht oder es wachsen nur wieder für Wassermangel empfindliche kleine Palmen.
Klimawandel verstärkt Biodiversitätsverlust
Diese Entwicklung geht jetzt schon mehrere Jahrzehnte. Immer wieder sind nur die kleinen Früchte und Samen der Jussara-Palme verbreitet worden. Mittlerweile gibt es viel mehr kleine Palmen, die nur noch kleine Früchte produzieren, als große Palmen. Die Jussara-Palme hat sich evolutionär an die neuen Bedingungen ohne die Tukane angepasst. Das führt allerdings auch dazu, dass sie große Probleme hat, wenn es längere Zeit trocken ist. Und durch die Klimawandele und die weitere Zerstörung des Atlantischen Regenwaldes wird es dort immer trockener. Die Wälder, die vorher aus vielen Jussara-Palmen bestanden, verschwinden. Und mit ihnen die verbleibenden Tukane und das gesamte Ökosystem.
Das BNE-Projekt „Keine Angst vor Komplexität“ wurde durch die Deutsche Bundestiftung Umwelt und die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert.
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