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Viele Länder im Globalen Süden sitzen in einer Schuldenfalle. Verschärft wird ihre Finanzkrise durch den fortschreitenden Klimawandel. Den finanziellen Staatsschulden des Globalen Südens stehen die historischen Klimaschulden des Globalen Nordens gegenüber – denn dieser ist Hauptverursacher der Erderwärmung. Sind Schuldenstreichungen ein erster Schritt, um Globale Gerechtigkeit herzustellen und das Klima zu retten?

Was sind Klimaschulden?

Als Klimaschulden bezeichnet man die historische Schuld, die Industriestaaten aus dem Globalen Norden am Klimawandel haben. Denn historisch tragen wohlhabende Länder durch massive Treibhausgasemissionen einen Großteil der Verantwortung für die globale Erwärmung und die daraus entstehenden Schäden. Gleichzeitig sind die Länder im Globalen Süden besonders stark vom Klimawandel betroffen. Starkwetterereignisse wie Dürren und Hitzewellen, Stürme und Überflutungen haben massive Folgen für die Bevölkerung. Vielerorts ist die Existenzlage bedroht.

Eng verknüpft sind die Klimaschulden mit der Kolonialzeit. Denn nur durch die jahrhundertelange Ausbeutung des Globalen Südens konnte die frühe Industrialisierung des Globalen Nordens stattfinden. Und mit ihr die massiven Emissionen, die zu der historischen Klima-Schuld führten. Basierend auf der Idee der Klimagerechtigkeit fordert das Konzept der Klimaschulden, dass wohlhabende Industrienationen diese Verantwortung anerkennen und übernehmen. Dies kann zum Beispiel durch finanzielle Entschädigungen, Technologietransfer und faire politische Zusammenarbeit geschehen.

Wer schuldet wem was? Klimaschulden versus Staatsschulden

Nicht zu verwechseln sind Klimaschulden mit den finanziellen Staatsschulden, unter denen viele klimagefährdete Länder im Globalen Süden leiden. Auch hier reicht der Ursprung häufig zurück bis in die Kolonialzeit. In den vergangenen Jahrzehnten sind jedoch vor allem die steigenden Schäden durch den Klimawandel eine maßgebliche Ursache für Staatsverschuldungen geworden. Viele betroffene Staaten stehen in starker finanzieller Abhängigkeit vom Globalen Norden. Kurz zusammengefasst: Der Globale Süden hat finanzielle Staatsschulden beim Globalen Norden, während der Globale Norden historische Klimaschulden beim Globalen Süden hat.

Wie hängen Schulden mit Klimagerechtigkeit zusammen?

Seit mehr als zehn Jahren schrauben sich Staatsschulden in den klimaempfindlichsten Ländern der Welt stetig in die Höhe, 2024 erreichten sie dort neue Rekordstände. Laut der britischen NGO Debt Justice UK befanden sich 2024 ganze 54 Länder der Welt in einer Schuldenkrise – nur fünf davon liegen im Globalen Norden. Weiteren dutzenden Ländern im Globalen Süden droht ein ähnliches Schicksal.

Durch die steigenden Kosten für die Anpassung an den Klimawandel, die weltweite Inflation, aber auch Gesundheitskrisen wie COVID-19 sind viele wirtschaftlich schwache Länder gezwungen, Kredite bei Institutionen des Globalen Nordens aufzunehmen. Häufig nehmen sie diese Kredite beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank auf.

In vielen Fällen stecken Länder des Globalen Südens schon seit Jahrzehnten in einer Finanzkrise. Häufig kommt es auch zu illegitimen, also rechtswidrigen Verschuldungen. Das sind Kreditentscheidungen, bei denen die Bevölkerung zum Beispiel kein Mitspracherecht hatte, und die für sie keinen Nutzen oder sogar Nachteile bringen.

Hohe Schulden führen in eine Abwärtsspirale: Denn die Kredite sind häufig mit hohen, kaum bezahlbaren Zinsen verbunden. Oft muss ein Staat einen neuen Kredit aufnehmen, um einen alten zurückzuzahlen – so etwa Argentinien im Jahr 2022. In vielen Fällen wurde der ursprüngliche Kredit von den verschuldeten Ländern bereits mehrfach zurückgezahlt, doch durch Zinsen und Inflation bleiben viele Länder in der Schuldenfalle gefangen.

Schuldenberge bremsen Klimaschutz und verhindern sozialen Wohlstand

Für die Kredittilgung müssen die betroffenen Länder zwangsläufig zu Sparmaßnahmen greifen, unter denen häufig die soziale Infrastruktur leidet. Wachsende Schuldenberge verhindern nicht nur, dass genug Mittel für den Klima- und Naturschutz zur Verfügung stehen; in vielen Fällen sind die Staaten sogar dazu gezwungen, klimaschädliche Industrien weiter zu befeuern, um die Schulden begleichen zu können. Denn vor allem fossile Brennstoffe sind enorm profitabel. 

Finanz- und Klimakrise sind also eng miteinander verbunden. Um wirksamen Klimaschutz betreiben zu können, muss der Globale Süden finanziell entlastet werden. Eine Schuldenstreichung stellt eine klare und wirksame Strategie dar, um die weltweiten Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig globale Gerechtigkeit wenigstens annähernd herzustellen. Laut Expert*innen wie der UN-Beraterin und Politologin Attiya Waris oder der Soziologin Imme Scholz sind Schuldenstreichungen sogar die einzig realistische Option, um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen. Um die Erderwärmung eindämmen zu können, muss die Schuldensituation und das gesamte globale Finanzsystem dringend geändert werden.

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Ohne einen Schuldenerlass für den Globalen Süden ist das Klima nicht zu retten. 

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Imme Scholz, Soziologin und Vorständin der Heinrich Böll Stiftung

Schulden als Kontrollmittel: Das finanzielle Machtgefälle zwischen Nord und Süd

Die Staatsverschuldung von Ländern im Globalen Süden führt häufig zu einer starken Abhängigkeit zu Kreditinstituten und Ländern im Globalen Norden. Dieses Machtgefälle ist stark von kolonialen Strukturen geprägt, die auch Jahrzehnte nach Ende der Kolonialzeit internationale Beziehungen zeichnen, vor allem auf der wirtschaftlichen Ebene. Denn Schulden stellen in Politik und Wirtschaft ein Werkzeug zur Kontrolle dar. Gläubiger, also die Kreditgebenden, können zu jedem Kredit bestimmte Bedingungen stellen und so Einfluss auf die Politik im verschuldeten Land nehmen. Durch hohe Zinssätze verdienen die Gläubiger außerdem jährlich riesige Summen. Zwischen 1970 und 2023 zahlten Staaten im Globalen Süden ganze 2,2 Billionen US-Dollar Zinsen an Kreditgebende im Globalen Norden. 

Debt-For-Nature-Swaps: Eine Lösung für verschuldete Staaten?

Debt-For-Nature-Swaps sind Abkommen, bei denen verschuldete Länder einen Teil ihrer Schulden von bestimmten Institutionen erlassen bekommen, wenn sie im Gegenzug Umwelt- oder Naturschutzmaßnahmen umsetzen. Zwar kann das kurzfristig helfen, den finanziellen Druck zu verringern und Umweltschutz zu stärken, aber eine strukturelle Lösung stellen Debt-For-Nature-Swaps nicht dar. Denn erstens betrifft die Schuldenstreichung meist nur einen Bruchteil der gesamten Schuldenlast, weshalb die Wirtschaftskrise der Länder nicht wirklich gemindert, geschweige denn gelöst wird. Zweitens können solche Abkommen dazu führen, dass die Geldgebenden – etwa internationale Organisationen oder Kreditinstitute – großen Einfluss auf die Politik der betroffenen Länder nehmen, ohne die Menschen vor Ort ausreichend einzubeziehen. Drittens bekämpfen Debt-For-Nature-Swaps nicht die eigentliche Ursache der Schuldenkrise: ein ungerechtes, neokoloniales globales Finanz- und Wirtschaftssystem. Statt echter Klimagerechtigkeit entstehen oft neue Abhängigkeiten, anstatt den Ländern langfristig wirtschaftliche Eigenständigkeit und einen fairen Zugang zu Finanzmitteln zu ermöglichen. 

Der Lost and Damage Fund: Bisher ein leeres Versprechen

Eine etwas nachhaltigere Art der Klimafinanzierung könnte zum Beispiel der Lost and Damage Fund (Fonds für Verluste und Schäden) darstellen. Schon bei der COP 28 in Dubai Ende 2023 wurde ein solcher Fonds ins Leben gerufen. Mit diesem Fonds soll eine Finanzierung von Klimaschäden für wirtschaftlich schwächere Länder ermöglicht werden. Einzahlen in den Lost and Damage Fund sollen nach dem Prinzip der Klimagerechtigkeit besonders wohlhabende Staaten aus dem Globalen Norden, wie etwa Deutschland, Frankreich oder die USA. Jährlich sollten so mehr als 400 Milliarden US-Dollar für Überflutungen, Brände, Verluste durch Hitzewellen und andere Katastrophen bereitstehen. Das kalkulierte das Unitarian Universalist Service Committee. Der Haken: Die Einzahlungen sind vollkommen freiwillig. Zwar haben viele Staaten sowie auch die EU große Zahlungen zugesagt, bisher jedoch nur Bruchteile davon eingezahlt. Laut der Weltbank seien aber bis Ende Januar 2025 lediglich 741 Millionen von insgesamt 27 Industrienationen versprochen worden. Die Gesamtfinanzierung des Fonds bleibt also extrem hinter den tatsächlichen Bedürfnissen zurück. Somit kann er die dringend benötigte finanzielle Hilfe für wirtschaftlich schwache Länder nicht leisten. 

Kann eine Schuldenstreichung funktionieren?

Schuldenstreichungen haben in der Vergangenheit sehr gut funktioniert, um wirtschaftlich geschwächten Staaten sofortige Erleichterung zu verschaffen. Ein Paradebeispiel dafür ist Deutschland, dem 1953, nach dem zweiten Weltkrieg, im Rahmen des Londoner Schuldenabkommen etwa 30 Milliarden Deutsche Mark erlassen wurden – mehr als die Hälfte der Vor- und Nachkriegsschulden. Ein Teil der übrigen Schulden blieb unverzinst. Das Londoner Schuldenabkommen legte den Grundstein für das „Wirtschaftswunder“ ab den 50er Jahren.

Neben der Schuldenstreichung allerdings ist eine umfassende Veränderung des globalen Finanzsystems dringend notwendig. Es braucht faire Handelsbedingungen und neue Finanzierungsmodelle, welche die Kredite ablösen. Nur so kann sichergestellt werden, dass es nicht erneut zu Schuldenkrisen für den Globalen Süden kommt. 

Wie kann eine Schuldenstreichung für den Globalen Süden erreicht werden?

Schuldenstreichungen können durch politischen Druck und internationale Wirtschaftsreformen und Finanzabkommen erreicht werden. Regierungen, zivilgesellschaftliche Bewegungen und internationale Organisationen können gemeinsam darauf hinwirken, dass ungerechte Schulden erlassen werden.

Schon in den 1980ern setzten sich im Globalen Süden Politiker*innen für eine umfassende Schuldenstreichung ein. Thomas Sankara, ein ehemaliger Präsident Burkina Fasos, sprach sich öffentlich gegen das ungerechte Schuldensystem aus. Er sah die Lösung in der internationalen Zusammenarbeit und forderte weitere afrikanische Staatsoberhäupter dazu auf, mit ihm eine vereinte Front gegen die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds zu bilden. Wenige Monate später wurde Sankara in einem Putsch ermordet, der Sankaras Anhänger*innen zufolge von Burkina Fasos ehemaliger Kolonialmacht Frankreich mitfinanziert wurde.

Doch auch nach Sankaras Ermordung wurde die Idee einer Schuldenstreichung für den Globalen Süden politisch und aktivistisch immer weiter verfolgt, etwa durch das Committee for the Abolition of Illegitimate Debt (CADTM), die Kampagne Erlassjahr.de und die Graswurzelbewegung Debt For Climate.

Gerade 2025 ist für Schuldenstreichungen ein entscheidendes Jahr. Denn traditionell erklärt die katholische Kirche jedes 25. Jahr zu einem Jubeljahr. Dieser Anlass geht auf das jüdische Jubeljahr zurück, das alle 50 Jahre eingeläutet wird. In einem Erlassjahr werden traditionell Schulden erlassen und Ungerechtigkeiten ausgeglichen. Papst Franziskus rief in seiner Rede zum Neujahrstag zu mehr finanzieller Gerechtigkeit auf und betonte, dass „kein Mensch, keine Familie, kein Volk“ von Schulden erdrückt werden dürfe.

Im Juni und Juli 2025 wird zum ersten Mal seit zehn Jahren die Finance for Development-Konferenz der UN in Sevilla stattfinden. Dort treffen sich UN, Kreditinstitute, Landesvertreter*innen sowie zahlreiche NGOs, um über die Zukunft der Finanzierung für Klima- und Entwicklungszusammenarbeit zu beraten. Expert*innen sehen in dieser Konferenz eine greifbare Chance, um eine nachhaltige Umgestaltung des globalen Finanzsektors anzustoßen.

Projektförderung

Diese Seite entstand im Rahmen des BNE-Projekts „Transformation“. Dieses Bildungsprojekt wird gefördert durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen und ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des BMZ.

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Fotonachweis: Lagos Food Bank - Pexels (Titelbild), OroVerde - E. Bakker (Infografik Schuldenfallen und finanzielle Ungleichheit), Riya Kumari - Pexels (Münzen in Frauenhand). 

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Letzte Bearbeitung am 18.02.2024. 

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