Greenpeace gehört zu den großen Playern im Bereich der Social-Media-Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen. Dabei spielen die Campaigner, die an oft bildgewaltigen Aktionen beteiligt sind, und die Arbeit der Social-Media-Profis perfekt zusammen. Jung, dynamisch, energievoll, kämpferisch - das ist das Bild, dass der Social-Media-Bereich von der Greenpeace-Arbeit vermittelt. Für das Interview konnten wir Benjamin Borgerding, Digital Campaigner bei Greenpeace, gewinnen. Herzlichen Dank!
Breite Bevölkerungsgruppen ansprechen, sie für komplexe Umweltthemen sensibilisieren und zum Handeln anregen – das ist ja eines der Markenzeichen von Greenpeace. Welche Medien nutzen Sie dafür, welche haben (für welche Zielgruppe) die größte Bedeutung?
Wir sind auf den einschlägigen Plattformen unterwegs, vor allem Facebook, Instagram, Twitter und YouTube. Das sind die Hauptkanäle, die wir nutzen. Mit Ausnahme von Instagram nutzen wir diese Kanäle jetzt schon seit vielen, vielen Jahren. Dabei muss ich dazu sagen, dass sich die Kanäle im Laufe der Zeit stark verändert haben. Wobei auch andere Gewichtungen entstanden sind, was die Wichtigkeit für unsere Arbeit angeht. Den Instagram-Kanal haben wir erst vor ca. drei Jahren aufgemacht. Auf Facebook sind wir schon viel, viel länger. Dabei merken wir gerade, dass Instagram inzwischen ein sehr wichtiger Kanal ist, manchmal sogar wichtiger als facebook, da wir für bestimmte Sachen auf Instagram mehr Leute erreichen.
Wir sind grundsätzlich mit den Kampagnen, die wir haben, auf allen Kanälen vertreten. Für Instagram kann man grundsätzlich sagen, dass man jüngeres Publikum erreicht. Und dadurch, dass sich Facebook jetzt in den letzten Jahren sehr, sehr stark auf das Werbegeschäft konzentriert, ist auf dem Kanal auch die organische Sichtbarkeit immer weiter heruntergegangen. Da haben wir jetzt bei Instagram eine höhere Reichweite. Wir erreichen also einfach mehr Leute als auf Facebook. Auf facebook muss man schon fast gezwungenermaßen in Werbemittel investieren, um Leute zu erreichen. Wir haben auf Instagram weniger Fans als auf Facebook, aber wir bekommen trotzdem viel, viel mehr Kommentare, Likes und so weiter. Man merkt, dass da mehr passiert und besonders wichtig geworden ist jetzt auch noch im letzten Jahr das neue Instagram-Feature Storys, das sie eingeführt haben.
Gestern waren wir bei einer Agentur, und die hat uns auch noch einmal gesagt: Das Wichtigste, das Obligatorische, was man für jede Kampagne auf jeden Fall immer mitdenken sollte, sind diese Instagram-Storys, weil das Nutzungsverhalten sich in die Richtung geändert hat, dass viele gar nicht mehr den Feed angucken, sondern nur oben die Storys anschauen. Das sind kleinere Veränderungen, die sich mit der Zeit immer wieder ergeben haben.
Eine andere Veränderung ist, dass seit ein paar Jahren Videos ein wichtiges Medium geworden sind, also Bewegtbild. Das zieht sich durch die ganzen Plattformen, Facebook und Instagram und bei Twitter eigentlich auch. Das heißt, dass man nach Möglichkeit immer ein Bewegtbild-Format mitdenken sollte, wenn man eine Kampagne unterstützt. Auch da meinte die Agentur, bei der wir gestern waren, sie würden ihren Kunden schon raten, dass man Infografiken einfach nur kurz animiert und als Video veröffentlicht, da es von Facebook besser sichtbar gemacht wird.
YouTube ist für uns auch ein Kanal, dem wir jetzt langsam mehr Beachtung schenken. Wir haben uns da in den letzten Jahren stärker darauf fokussiert, um den Kanal ein bisschen aufzumöbeln und ein gezielter die Features zu nutzen, die YouTube so bietet. Also ganz einfach zum Schluss immer Tafeln bei Videos mit einzubauen, die man dann mit anderen Videos verlinken kann. Oder den Kanal einfach ein bisschen besser zu ordnen, eine Playlist anzulegen und so weiter. Also das Ganze ein bisschen aufgeräumter erscheinen zu lassen. Auch ein paar neue Videoformate für YouTube haben wir entwickelt. Das heißt, wir sehen schon die Wichtigkeit von YouTube, weil ja auch gerade für jüngere Zielgruppen YouTube ein wichtiger Kanal ist. Aber Youtube ist eben mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden als andere Kanäle.
Im Vergleich zu den anderen Kanälen sind die Youtube-Videoformate etwas länger. Diese Longform-Formate erfordern halt mehr Planung und mehr Aufwand technischer Art. Während wir bei Facebook zum Beispiel für diese Social Videos einfache Templates haben, die man schnell anpassen kann, wozu man auch kein ausgebildeter Cutter sein muss. Dadurch haben wir da viel, viel mehr Leute, die es einfach mal machen können. Bei Instagram gilt das eigentlich so ähnlich, während bei YouTube schon viel höherer Aufwand betrieben werden muss.
Du hast jetzt viel über Instagram, Facebook und Youtube erzählt – wie nutzt ihr Twitter?
Twitter nutzen wir auch seit vielen Jahren. Da sind wir auch ziemlich groß (ca. 400.000 Follower). Für bestimmte Arten von Kommunikation ist der Kanal einfach noch der geeignetste. Das Diskussionsklima auf Twitter ist einfach ganz anders als auf Facebook. Kurze politische Diskussionen finden auf Twitter viel eher statt, als auf Facebook. So dass man sich auch mit politischen Gegnern auseinandersetzt und in direkten Dialog tritt – das kommt auf Twitter häufiger vor als auf Facebook.
Das heißt, ihr nutzt Twitter als Medium, euch mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen und zu diskutieren?
Genau. Gerade für die Kampagnen-Arbeit ist es für uns ein wichtiges Medium, um mit Firmen oder mit Politikern in eine direkte Konfrontation zu gehen. Twitter ist ein Kanal, der nach ganz anderen Mechaniken funktioniert als Facebook. Also das, was man bei Facebook viral nennt, dieses Phänomen ist für Twitter nicht so entscheidend. Natürlich freut man sich auch über viele Re-Tweeds. Aber es ist einfach eine andere Form der Kommunikation, die auf Twitter so wichtig ist.
Auf Twitter kann man ja auch viel mehr kommunizieren, also häufiger kommuniziere. Da gibt es im Prinzip keine Grenze nach oben hin. Während wir auf Facebook selten mehr als drei Posts am Tag veröffentlichen. Auf Twitter geht`s noch mehr um Aktualität, also darum, auf aktuelle Debatten einzusteigen und die Diskussion / der Diskurs spielt bei Twitter noch eine größere Rolle.
Kannst du noch etwas mehr zu den Zielgruppen der Kanäle sagen?
Ja, gerne, so sind bei Instagram altersmäßig Jüngere als bei Facebook. Bei Twitter hingegen habe ich den Eindruck, dass sozioökonomisch eine etwas höhere Schicht unterwegs ist. Also eher die Besserverdienenden und höher gebildeten Schichten. Das ist jetzt nur ein Gefühl aus unserer Arbeit. Twitter ist auf jeden Fall kleiner als Facebook, viel kleiner, während Facebook eher die ganze Bandbreite der Gesellschaft abbildet.
Was waren in den letzten Monaten besonders erfolgreiche Kampagnen – und was waren die Erfolgsfaktoren?
Die Landwirtschafts-Kampagne "Tierleid beenden" haben wir seit zwei Jahren am Laufen, wobei es unter anderem um Fleischverzicht ging, das war daran der Konsumenten-Aspekt. Das war eine ziemlich erfolgreiche Kampagne, weil wir es geschafft haben, dass sich die großen Supermarktketten zu einer Kennzeichnung von ihren Fleischprodukten haben bewegen lassen. Das Kampagnenziel wurde also erreicht.
Die Kampagne haben wir auch auf Social Media unterstützt. Gerade Kampagnen, die sich mit Unternehmen auseinandersetzen, sind für Social Media sehr gut geeignet, weil Unternehmen natürlich extrem um ihr Markenimage besorgt sind und dadurch Angriffsfläche bieten, bzw. Angst haben, dass Kampagnen von uns ihr Markenimage beschädigen könnten. Und natürlich sind viele von den großen Unternehmen auch auf Social Media unterwegs und entsprechend dort dann auch noch besorgter.
Ein weiteres Highligt war unser Video zu Friday For Future:
Die Proteste von Fridays for Future sind natürlich keine Kampagne von uns, haben also im Prinzip nichts mit Greenpeace per se zu tun. Aber wir unterstützen diese Proteste natürlich, - auch bei den Demonstrationen vor Ort. Und wir versuchen diesen Protest zu verstärken und unser Möglichstes zu tun, dass diese Proteste erfolgreich sind. Entsprechend haben wir im letzten halben Jahr ganz oft von diesen Demos berichtet, beispielsweise mit diesem Post vom März.
Das war mit ca. 2.500 Likes einer der erfolgreichsten Post, die wir auf Facebook gemacht haben. Es ist zugleich ein passendes Beispiel für das Social Video-Format, das wir auf Aktionen produzieren.
Der FFF-Protest lebt natürlich von diesen jungen Demonstranten, von dem Elan, den sie versprühen - und daher war der Post auch sehr erfolgreich.
Wir haben auch ein eigenes Design, dass wir immer versuchen, umzusetzen. Das schafft den Wiedererkennungswert unserer Auftritte, mit bestimmten Schrifttypen und so weiter. Hier ein paar Beispiel einer anderen erfolgreichen (im Sinne der Reichweite) Kampagne zum Thema Plastik:
Grundsätzlich kann man sagen, dass die Themen, die so einen Verbraucher-Aspekt haben wie Plastik oder Fleischkonsum, auf den sozialen Netzwerken viel besser funktionieren als trockene Themen, bei denen es technisch zugeht.
Gerade Plastik ist ein Thema, das eine immense Wichtigkeit in der medialen Aufmerksamkeit bekommen hat. Es wird so viel darüber berichtet, dass fast alle Leute dazu eine Meinung haben. Und natürlich sind die meisten Leute der Meinung, dass es zu viel Plastik gibt. Da ist es leicht auf diesen Konsens aufzubauen. In dem Fall lief der Clip im Rahmen einer Kampagne gegen Nestlé mit einer Reichweite von über 800.000. Was ein sehr gutes Ergebnis für uns ist.
Das ist übrigens ein weiteres Erfolgskriterium, dass wir Unternehmen herausgreifen. Gerade mit Nestlé verbindet uns ja eine etwas längere Geschichte. Wir hatten schon häufiger Kampagnen, die sich mit Nestlé auseinandergesetzt haben. Es gab da vor ein paar Jahren eine KitKat-Kampagne, wo es um Palmöl ging. Hier und heute geht es um das Thema Plastik.
Es gibt natürlich ein paar Gegner, die bei uns immer wieder auftauchen. Das sind vielfach die Öl-Multis. Und die erfolgreichen Kampagnen sind natürlich auch diejenigen, die irgendwie einen Gegner haben, den alle kennen, der in der Öffentlichkeit steht. Sehr starke und große Unternehmen eignen sich da besser als kleine Unternehmen.
Wie erging es euch mit dem Thema Fleischkonsum? Beim Thema Plastik baut man ja auf eine Art Konsens auf. Das Thema Fleisch ist dagegen an sich schon kontroverser.
Auf jeden Fall. Ja, das merkt man auch, das ist genauso, wie du sagst. Bei Plastik ist eigentlich jeder dergleichen Meinung. Es gibt zu viel davon und wir müssen es reduzieren. Und es ist schrecklich, dass so viel von dem Zeug im Ozean schwimmt. Da hat eigentlich niemand eine andere Meinung. Beim Thema Fleisch ist das schon eine schärfere Diskussion. Das Thema ist viel kontroverser, in der Gesellschaft per se, aber auch sogar bei unseren Fans oder bei den Leuten, die uns auf Facebook folgen.
Da gibt es diejenigen, die sagen, „Ich bin Vegetarier, aber jeder soll das machen können, wie er will.“ Dann gibt es die Leute, die ein bisschen radikaler sind und sich vegan ernähren und sagen, „Fleisch zu essen ist ein moralisches Verbrechen“. Dann wiederum gibt es Leute, die sagen, „Ja, ich esse Fleisch. Aber ich achte darauf, es nicht zu oft zu machen.“ Es gibt da eine Bandbreite und innerhalb dieser Bandbreite auch eine Diskussion und Auseinandersetzung, weil das Thema sehr stark emotionalisiert. Es betrifft den eigenen Konsum sehr stark und Menschen fühlen sich schnell angegriffen, wenn es um ihr Verhalten geht. Das heißt, es ist tatsächlich so, dass man bei diesen Posts zum Thema Fleischverzicht auch in den Kommentaren merkt, wie viel mehr Diskussion entsteht. Dass es schneller beleidigend wird ist natürlich auch eine Gefahr.
Wie geht ihr mit Kommentaren zu euren Posts um? Was ist eure Strategie dabei?
Wir versuchen bei Themen, bei denen wir Kontroversen schon vorher absehen können, eine Richtlinie zu entwickeln, wie wir mit kritischen Fragen umgehen werden. Zum Beispiel auch beim Thema Diesel. Ich denke, bei den allermeisten Themen kann man das vorher abschätzen. Es kommt selten vor, dass uns so eine Kontroverse völlig aus dem Nichts erwischt. In 95 Prozent der Fälle weiß man vorher Bescheid. Dann ist es wichtig, dass man gut vorbereitet ist, entsprechend die Fragen schon antizipiert und Antworten schon so aufbereitet, dass man dann, wenn ein Shitstorm entsteht, nicht völlig kopflos reagiert. Eine gute Vorbereitung ist da das Wichtigste.
Ansonsten haben wir relativ klare Regeln, was Kommentare angeht. Wenn Leute irgendwie beleidigend werden, dann löschen wir die Posts natürlich, oder wenn es irgendwie rassistisch oder sexistisch wird.
Vielfach diskreditieren sich die Leute auch selbst, und man merkt dann sehr schnell an anderen Kommentaren, dass das gar nicht ernst genommen wird. Ich denke, es gibt oftmals keinen Grund zur Panik. Nur wenn da irgendwo zwei kritische Kommentare auftauchen, heißt das nicht, dass die Welt untergeht. Das ist, finde ich, manchmal sogar ein gutes Zeichen, denn unsere Aufgabe als Greenpeace ist es ja, auf Missstände hinzuweisen. Es ist klar, dass das nicht reibungslos abläuft und jeder damit völlig einverstanden ist. Wir kämpfen gegen bestimmte Strukturen, die von bestimmten Personen oder Milieus in der Gesellschaft widerum verteidigt werden. Dass man da auf Widerstand stößt, ist nicht überraschend.
Wenn ihr merkt, das Fakten verdreht oder falsch interpretiert werden, wie reagiert ihr dann?
Wir versuchen, das richtig zu stellen, wenn jemand da Quatsch schreibt. Man muss nur aufpassen. Es gibt ja diesen schönen Satz, „Don`t feed the trolls“. Wenn man merkt, da ist jemand, der immer wieder eine Antwort herausfordert, muss man sich der Überlegung nach Aufwand und Nutzen stellen, ehe man sich an Jemandem abarbeitet, obwohl man gerade noch andere Sachen zu tun hat. Aber das merkt man dann eigentlich relativ schnell. Wenn jemand etwas schreibt, was man richtigstellen kann, dann sollte man das machen, wenn er nochmal schreibt, vielleicht noch ein zweites Mal. Aber ich würde jetzt nicht ewig lange Diskussionen vom Zaun brechen lassen, irgendwann muss man dann auch mal etwas Anderes machen.
Es hängt auch davon ab, wie sichtbar die Diskussion ist. Wenn der jetzt zum Beispiel mit seinem Kommentar auch ganz viele Likes bekommen hat und weiter oben sichtbar ist, dann ist natürlich der Druck, das richtigzustellen, größer als bei einem Kommentar von 140 Kommentaren, der irgendwo ganz weit unten ist und den im Zweifelsfall niemand sieht.
Gibt es noch Erfolgsfaktoren, die du beobachten konntest? In Bezug auf die Bildauswahl, die Botschaft, die angesprochenen Emotionen oder ähnliches? Etwas, wo du sagst, das funktioniert bei unseren Leuten richtig gut?
Also Menschen auf Bildern ziehen auf jeden Fall.
Wir versuchen immer bei Fotos darauf zu achten, dass sie nicht zu Durcheinander sind, nicht zu viele Bildinformation beinhalten, dass durch sie eine klare Botschaft transportiert wird, dass die Leute irgendwie in die Kamera gucken. Also eigentlich alles, was man, wenn man ein halbwegs geschultes Auge für Motive hat, auch sieht. Das Problem ist dann manchmal, dass man Fotos von einer Aktivität bekommt und bereits das Aktionsszenario so schwierig ist, dass der Fotograf einen schweren Job hat, daraus überhaupt ein gutes Bild zu machen. Eigentlich ist der Schritt davor schon wichtiger. Also dass die Aktivitäten von den Greenpeace-Aktivisten so gestaltet werden, dass sie ansprechend aussehen und das Szenario spannend ist.
Welche Rolle spielen Infografiken bei Greenpeace, um komplexe Themen aufzubereiten? Wie kommen sie bei den Zielgruppen an? Können sie ein guter Einstieg sein, um Medien/Blogger etc. zu interessieren?
Ja, wir arbeiten auch mit Infografiken, um komplexere Zusammenhänge aufzuzeigen.
Auch bei den Infografiken versuchen wir eine Einheitlichkeit zu haben, also ein einheitliches Design, so dass man sieht, dass es von Greenpeace ist. Also, dass die Leute quasi auf den ersten Blick schon erkennen, von wem die Inhalte sind.
Gerade wenn es um Zahlen geht, um Umfragen, um irgendwelche erstaunlichen Fakten oder so, sind Infografiken natürlich wichtig in der Kommunikation. Die Komplexität ist dabei natürlich niemals so groß. Es ist schon so, dass man versucht, eine einfache Aussage unterzubringen, die selbsterklärend ist. Aber es ist nicht so, dass jede Infografik auch gleich irgendwie millionenfach geteilt wird.
Ein Format, das wir auch noch relativ oft nutzen, ist ein Zitat-Format.
Das heißt, wenn wir einen Kommentar herausgegeben haben, dass wir gleichzeitig dann noch mit dem Campaigner einen Zitat-Post machen. Das ist eigentlich immer ganz schnell gemacht und oft auch erfolgreich, gerade wenn sie kernige Aussagen enthalten.
Und dann gibt's noch diese Inspirations-Zitate, die wir mit Zitaten von berühmten Menschen machen.
Eigentlich sind es Lückenfüller, wenn wir gerade in der Kampagne selber nicht so viel Content haben. Der Vorteil: So etwas lässt sich wirklich schnell produzieren, man braucht eigentlich nur ein Bild und einen Spruch dafür.
Es sind also relativ feste Formate, die wir haben: Die Fakten-Posts, die Inspirations-Zitate, die Kampaigner-Zitate, die Infografiken etc.. Dabei versuchen wir immer einen einheitlichen Look für die Kampagne, ein eigenes Design.
Für die verschiedenen Kampagnen mit unterschiedlichen Schwerpunkten ist es dadurch relativ einfach, Inhalte für Posts zu finden. Und natürlich spielen Aktivisten auch eine große Rolle bei uns. Es ist ja die DNA von Greenpeace, Leute, die sich für Veränderung einsetzen. Das heißt, wir haben auch viele Post, auf denen du Menschen siehst, die entweder auf irgendwelchen Aktionen sind oder die protestieren. Und das ist der Mix aus dem, was wir haben.
Die Fotos mit den Campaignern sehen so aus, als hättet ihr die Fotos mit einem Fotografen ebenfalls vorab gemacht.
Ja, genau, wir sagen dem Fotografen immer, er soll Fotos machen, wo entweder rechts oder links ein bisschen Freiraum ist, in den man später Text setzen kann. Und ein Hintergrund, der nicht so verwuselt ist, und ein paar Freiflächen hat.
Kannst du noch etwas zu Instagram-Storys erzählen? Und zur Darstellung von komplexen Zusammenhängen?
Die Instagram-Storys sind für uns immer wichtiger geworden. Sie verschwinden ja nach 24 Stunden wieder, deswegen ist es schwierig, jetzt Beispiele zu zeigen. Aber du hast in den Storys die Möglichkeit, etwas mehr Komplexität darzustellen. Du hast ja mehrere Elemente, die du quasi nacheinander benutzen kannst, um so eine Geschichte zu erzählen. Du kannst dabei mit verschiedenen Bild- und Bewegtbild-Elementen arbeiten, zwischendrin ein Campaigner-Statement einbinden und dann vielleicht eine Infografik und noch ein Foto, so dass du einen Spannungsbogen erzeugst. Damit lassen sich zumindest geradlinige Storys erzählen. Komplexere Vernetzungen natürlich nicht.
Ich denke, man muss sich von dem Anspruch befreien, einem mit einem Mal schon alles erklären zu können, sondern man muss immer so ein, zwei Aspekte herausgreifen. Mehrfach Aspekte zu einem Thema zu posten, kann man ebenfalls machen. Oder auch einen Komplex auf verschiedene Arten und Weisen auf verschiedenen Kanälen mit verschiedenen Medien erklären. Aber bestimmte Sachverhalte sind einfach so kompliziert, dass es schwierig ist, diese Komplexität dann auch in einem Rutsch darzustellen.
Gerade bei dem Format Social Video ist es eigentlich so, dass man sich eher darauf konzentriert, eine Aussage, die Aufmerksamkeit weckt, gleich am Anfang zu platzieren, weil die Leute sich Facebook durchschnittlich nur für zwei Sekunden angucken.
Das heißt, wichtig ist, dass man am Anfang gleich Aufmerksamkeit erzeugt, zum Beispiel mit einem empörenden Fakt oder so. Wenn dadurch die Aufmerksamkeit gewonnen wurde, kann man die Probleme näher erklären, den eigenen Standpunkt darstellen und am Ende einen Abbinder dazu zu finden.
Bei Social Media ist es im Endeffekt selten so, dass ein Problem wirklich in seiner ganzen Komplexität dargestellt wird, sondern eher ein einzelner Aspekt.
Als weiteres Kommunikationsthema ist Framing derzeit in aller Munde. Wie beeinflusst es eure Arbeit?
Framing ist auf jeden Fall etwas, was bei uns eine große Rolle spielt und in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen hat. Vielleicht, weil es auch in den Medien immer mehr diskutiert wurde. Instinktiv haben wir das eigentlich immer schon gemacht. Klassisches Beispiel ist, dass wir immer von Atomenergie gesprochen haben, nicht von Kernenergie. Ein neueres Beispiel ist, dass wir jetzt stärker von Erhitzung sprechen und nicht mehr von Erderwärmung, weil Wärme eher ein positiv gefärbter Begriff ist, und dadurch ein positives Gefühl auslöst. Während Erhitzung sozusagen die Notfallsituation besser transportiert. Das heißt, Framing spielt bei uns auf jeden Fall in Kampagnen eine relativ große Rolle. Es geht auch immer darum, aufzuzeigen, welche Framings eigentlich der jeweilige Gegner benutzt und diese auch zu entlarven. Das ist eine wichtige Kommunikationsarbeit, eine wichtige Aufgabe, die man hat.
Wie seid ihr vorgegangen, die Frames überhaupt zu finden und zu erkennen, wo ihr welche Frames benutzen wollt?
Wenn eine Kampagne geplant wird, machen wir direkt eine Analyse. Das passiert jetzt auch nicht immer mustergültig. Aber die Idee ist, dass man sich bereits im Vorfeld genau anguckt, wie über einen bestimmten Themenkomplex gesprochen wird. Was sind eigentlich die Wörter, die immer wieder auftauchen? Steckt da mehr drin, als auf den ersten Blick sichtbar ist? Wir müssen uns angewöhnen, genauer hinzuschauen und Wörter zu hinterfragen, die man vielleicht selber völlig selbstverständlich benutzt. Erderwärmung oder Klimawandel zum Beispiel sind Begriffe, die wir auch immer noch in verschiedenen Zusammenhängen benutzen, aber verstärkt versuchen wir auch, da ein anderes Framing mit reinzubringen. Und so geht es mit ganz vielen Themen, dass man sich wirklich im Vorfeld vor der Kampagne genau angucken muss, um nicht die Fehler zu machen und bestimmte Wörter zu benutzen, die ein Framing haben, dass nicht dem entspricht, was man ausdrücken möchte. Gerade weil wir ja auch politische Kommunikation machen. Wir sagen jetzt aber in den meisten Fällen nicht, dass wir bestimmte Worte nicht mehr in den Mund nehmen.
Ich habe z.B. vor kurzem einen Artikel über "Klimawandel und Sicherheit" geschrieben. Und ich habe immer mal wieder das Wort Erderhitzung verwendet, aber ich habe es nicht ausschließlich verwendet: Ich habe hin und wieder auch das Wort Klimawandel stehen lassen, aus verschiedenen Gründen. Von ästhetisch-stilistischen Gründen, also, dass man nicht so viele Redundanzen hat, bis zu dem Grund, dass der Text bei der Suchmaschinensuche auch gefunden wird, denn andere Leute benutzen den Begriff Klimawandel in den Suchabfragen. Wenn wir jetzt lauter Begriffe verwenden würden, die zwar ein passendes Framing bilden, aber die den Leser kognitiv so beanspruchen, dass er den Text gar nicht mehr inhaltlich so richtig versteht, dann hast du ja auch nichts erreicht. Also muss man die Balance halten. Ich denke, da sollte man nicht pedantisch werden.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
Das BNE-Projekt „Keine Angst vor Komplexität“ wurde durch die Deutsche Bundestiftung Umwelt und die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert.
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Birthe Hesebeck
Bereichsleiterin
Öffentlichkeitsarbeit Bildung für nachhaltige Entwicklung
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