Geschichten sind es, die Menschen fesseln und zuverlässig Botschaften transportieren. Wie dies in der Nachhaltigkeits- und Klimakommunikation gelingen kann, erforscht Umweltjournalist Torsten Schäfer unter anderem mit seinem preisgekrönten Projekt „Grüner-Journalismus“. Dort vermittelt er neue Ansätze, mit denen relevante Zukunftsthemen spannend umgesetzt werden können
Prof. Dr. Torsten Schäfer arbeitete als Umwelt- und Reisejournalist für GEO, taz, Süddeutsche und andere. Seit 2013 ist er Professor für Journalismus und Textproduktion an der Hochschule Darmstadt, wo er das Medienportal „Grüner-Journalismus“ leitet. Derzeit betreut er u.a. das Forschungsprojekt „Klimageschichten“ zu Klima und Storytelling im Rahmen des Forschungsschwerpunktes „Journalistische Ökologie“. Neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer schreibt er Lyrik, Bücher und Reportagen v.a. für die FAZ. Mehr über Torsten Schäfer erfahren >> Bild: Prof. Dr. Torsten Schäfer, Journalist und Hochschullehrer
Ganze Bevölkerungsgruppen ansprechen, sie für komplexe Themen sensibilisieren und zum Handeln anzuregen, das sind wichtige Ziel in der Klima- und Nachhaltigkeitskommunikation. Wie können Sie als Journalist dazu beitragen, diese Kommunikationsziele zu erreichen?
Als Journalisten können wir Themen auswählen, also Agenda Setting betreiben. Und das ist sicherlich schon eine der wichtigsten Funktionen, die wir Journalisten haben. Zweitens geht es darum, wie wir das ganze Thema bearbeiten, wenn es ausgewählt ist. Und die Art der Bearbeitung führt dann natürlich zu mehr oder weniger Aufmerksamkeit. Wir haben naturgemäß eine Dominanz von Nachrichtenjournalismus mit kurzen Formen, Berichten und Nachrichten. Das wird auch so bleiben, weil wir aktuell und schnell informiert werden wollen. Aber auch im Wissenschaftsjournalismus und im Klimajournalismus gibt es schon länger einen stärkeren Bedarf nach tiefer gehenden Geschichten und nach Sinnstiftung, nach Erklärungen, aber auch nach einer gewissen Emotionalität, die aber immer im faktischen Rahmen bleiben muss.
Es geht darum, Geschichten nicht nur um ihrer selbst willen zu erzählen. Sondern darum, Informationen attraktiver, verständlicher und besser zu transportieren und dadurch mehr Interesse, mehr Aufmerksamkeit und womöglich auch Verhaltensänderungen zu erzielen. Die Art, wie wir ein Thema bearbeiten, entscheidet mir darüber, wie erfolgreich Ziele wie Interesse, Aufmerksamkeit oder Verhaltensänderungen erreicht werden können.
Was sollte neben der Stilform im Journalismus noch mehr Beachtung finden?
Wir sprechen viel über Formate und Zielgruppen, die Sprache blieb auf der Strecke. Da haben wir nochmal viel Arbeit zu leisten, um verständlich zu sein und gegen Wissenschaftssprache zu kämpfen, solange es um ein Massenpublikum geht. Wenn wir auf einer Konferenz sind, ist Fachsprache zulässig, aber für die breite Allgemeinheit sollte man sie nur so wenig wie möglich verwenden. Außerdem finde ich das Start-Up-Geschwurbel und Technik-Denglisch, das in der Medien- wie der Klima-Szene umherschwirrt, furchtbar. Es ist eine oft ungenaue, aber sehr vermachtete Sprache, weil es die Botschaften und Motivationen eines digitalen Kapitalismus, in dem sich alles um Effizienz, Nutzen, Machbarkeit und Technologie dreht, ständig wiederholt und verstärkt. So ist das Leben aber nicht, so ist auch Politik nicht! Ich habe nichts gegen Anglizismen, aber einige machen keinen Sinn und bedeuten aufgeblasene Plastiksprache. Letztlich geht es darum, wieder natürlicher zu sprechen, klarer, genauer, lebendiger und auch poetischer.
Wenn es um Sprache geht, geht es ja auch immer um das Framing, das durch Sprache gesetzt werden kann. Welche Rolle spielt Framing im Journalismus und welche im Journalismus-Studium?
Wir reden über Framing, wenn wir Geschichten angehen, und wie wir dann den inhaltlichen Rahmen setzen. Denn das ist es ja, was Framing meint: inhaltliche Deutungsrahmen. Ich lehre das immer im Zusammenhang mit Narrativen. Dabei mache ich den Unterschied zu sinnstiftenden Erzählungen deutlich, denn das geht ineinander über. Es sind Kategorien einer inhaltlichen, durchaus subjektiven Interpretation, die sich auf die Praxis bezieht, Informationen zu Sprache zu machen. Wir lehren das und wir lernen das, aber wir übertreiben es auch nicht. Wir haben über Framing genug gehört im letzten Jahr mit der ARD-Publikation (https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2019/02/framing_gutachten_ard.pdf , https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-framing-gutachten-der-ard/ ), es ist in aller Munde. Ich denke, wer im Mediengeschäft oder auch als Student unterwegs ist, der hat Framing schon gehört. Es gibt auch in den vergangenen zehn Jahren eine Mode in der Kommunikationswissenschaft Framing-Analysen zu betreiben. Das ist ein sehr starkes Konzept. Aber man darf natürlich auch andere Sachen nicht außer Acht lassen. Framing ist wichtig, aber die grundlegende ethische Dimension von Journalismus auch. Nachhaltigkeit gehört als ein universelles Gerüst, als ein Grundwert, noch stärker beleuchtet. Wir müssen noch mehr daran arbeiten, für die ganze handwerkliche Fragestellung von Sprache, Framing und Narrativen letztendlich eine ökologisch-ethische, medienethische Grundlage zu schaffen.
Wenn ich das richtig verstehe, kann im Journalismus viel im Bereich Framing getan werden. Aber sollten wir es aus ethischen Gesichtspunkten auch tun?
Nun ja, es kommt darauf an, was man damit tun will! Journalisten und JournalistInnen sollten sich da jedenfalls auskennen und um die Gefahren wissen. Denn da spielt auch viel politische Macht mit ein; Framing ist ein Konzept, das viel auch in der politischen Kommunikation genutzt wird. Einzelne Begriffe könne wichtige Deutungsrahmen setzen. Auch in Deutschland reden wir, zumindest in der Fachwelt, etwa gerade viel über Worte wie Klimanotstand, Klimakrise oder Klimaerhitzung, die andere Worte wie Erwärmung und Klimawandel ersetzen sollen. Es gibt Medien wie BBC, Observer, Guardian oder auch AP, die sich Sprachstatute verpasst haben.
Wären solche Sprachstatute auch für den Journalismus in Deutschland wünschenswert?
Da halte ich nichts von. Aber ich halte sehr viel davon, die Angebote, die Worte, die wir haben, mit den neuen Begriffen zu verbreitern. Das macht die Debatte auf. Ich bin für eine Verbreiterung der Worte und dadurch auch eine Verbreiterung der Frames: Klimanotstand, Klimakrise sind mal ganz gut. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir mit so einer Art von Framing immer wieder den Katastrophen-Diskurs anheizen. Wir haben einige Studien, die uns zeigen, dass wir davon gerade im deutschen Umweltjournalismus durchaus zu viel haben. Menschen rennen den Beiträgen nicht hinterher, wenn diese noch katastrophenorientierter sind. Sprachpsychologisch ist da ein bisschen mit Vorsicht zu arbeiten, wenn wir nur das vermitteln.
Gibt es denn vielleicht doch ein Wort, das Sie gerne verbieten würden?
Ja, „Klimaskeptiker“ bildet eine Ausnahme, das gehört komplett abgeschafft. Die Klimaskeptiker will ich auch sprachlich auf die Liste setzen. Skepsis war im alten Griechenland eine gute Tugend. Damals waren Skeptiker ältere kluge Leute, die gut informiert sind und vielleicht recht haben konnten. Die sogenannten „Klimaskeptiker“ sind schlicht Klimaleugner. So müssen sie heißen.
Im Journalismus gibt es verschiedenste Herangehensweisen, wie und wo man recherchieren kann. Was halten Sie von Social-Media-Posts als Ausgangspunkt einer journalistischen Recherche?
Das kommt ganz stark darauf an, für welche Zielgruppe der Journalist schreibt. Wenn er jetzt für bento schreibt, das SPIEGEL-Jugendmagazin, oder im Internet für buzzfeed oder für andere jüngere Online-Medien, dann wird die Recherche häufiger bei Sozialen Medien beginnen. Einfach, weil die Zielgruppe das einfordert. Die junge Generation, bis in die frühen Zwanziger, nimmt die Nachrichtenwelt zu großen Teilen mittlerweile über Soziale Medien wahr. Allerdings werden über Soziale Medien wie Instagram, Twitter und zum Teil auch noch Facebook natürlich Inhalte klassischer Medien transportiert. Das ist ein Kreislauf. In Studien wird oft gesagt, dass Soziale Medien die neue Informationsquelle sind. Das stimmt zwar, aber sie sind trotzdem nur eine Sekundärquelle. Natürlich nicht immer, denn es geht auch viel um Meinungen, die dort direkt geäußert werden. Aber Soziale Medien sind eben auch Trägermedien für vorhandene Debattenbeiträge aus klassischen Medien.
Wie schätzen Sie Grafiken und Diagramme als journalistisches Werkzeug ein?
Die Einstiege über Grafiken oder Infografiken, wenn sie gut gemacht sind, sind natürlich sehr gut. Da ist auch in der Wissenschaftskommunikation immer noch sehr viel zu holen. Es sind nicht immer aufwändige Formate, die sich aber lohnen. Es gibt mittlerweile viele Werkzeuge im Netz, mit denen man Grafiken basteln kann, da könnten Redaktionen noch mehr machen.
Wenn Sie jetzt an sich selbst denken: Was war denn aus Ihrer Sicht Ihr erfolgreichster journalistischer Artikel in den letzten Monaten oder im letzten Jahr? Und wie würden Sie den Erfolg für sich messen? Was ist das Kriterium, damit Sie sagen, dieser Artikel war erfolgreich?
Das kann ich eindeutig sagen. Das war eine lange Reportage für die FAZ über zwei junge Berufsfischer auf dem Rhein (https://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/unterwegs-mit-berufsfischern-der-europaeische-wels-breitet-sich-immer-schneller-aus-16252528.html). Sie führen das Handwerk ihres Vaters weiter und sind die letzten beiden, die auf dem Rhein den Wels fangen. Und daraus wurde interessanterweise eine Geschichte über die Ausbreitung des Welses, dieses riesigen Fisches, in Deutschland. Deswegen ist es auch für mich ein besonderer Artikel. Ich schreibe im Medienjournalismus viel für Medienportale über Klima, aber auch dieser Text hatte einen Klimakontext. Denn die Welse wachsen und verbreiten sich, weil das Wasser wärmer wird und die Laichbedingungen besser werden, aber das ist nur ein Punkt. Ich gehe jetzt mit meiner Arbeit wieder mehr in den Lokaljournalismus. Dort will ich nicht nur über Klimajournalismus sprechen, sondern - mal wissenschaftlich gesprochen - über Journalismus im Klima-Kontext. Das Klima sollte immer mitgedacht, mit recherchiert und zur Sprache gebracht werden; es rückt aber lokal von der Überschrift etwas mehr in den Texthintergrund. Stattdessen sollte man die lokalen Geschichten über konkrete Folgen des Klimawandels, sei es sterbende Wälder, trockene Flüsse, Wassermangel, Hitzestress, mehr in den Vordergrund stellen. Ich arbeite auch viel zu dem Bereich „Nature Writing“ als literarischer Trend, der aber ganz viel Journalismus in sich trägt. Nature Writing kommt aus Großbritannien und aus den USA, wird bei uns aber nur strikt in der Literatur diskutiert. Obwohl es, was man in den USA sehen kann, sehr viel mit Journalismus zu tun hat.
Mein Anliegen ist es, das Diktum, wonach wir Journalismus und Literatur in Deutschland strikt trennen sollen, etwas aufzubrechen. Auch aus dem Punkt heraus, dass wir eine andere Form der Klimakommunikation und der Stilformen im deutschen Journalismus brauchen. Es gibt eine Dissertation, die das zeigt und empirisch darlegt.
Diese andere Form der lokalen, klimabezogenen Berichterstattung ist mir bei dieser Reportage ganz gut gelungen. Aber auch nur, weil ich für den Leiter der Wissenschaftsredaktion in der FAZ immer wieder längere Stücke schreibe, und wir uns mittlerweile kennen. Ich habe viel mehr Platz bekommen, als ich eigentlich zugestanden bekommen hatte. Ich habe in der ersten Person geschrieben und habe das versucht, was ich mal als journalistisches „Nature Writing“ bezeichnen würde, nämlich auch Landschaftspassagen, Stimmungen vom Auwald und kleine Szenerien reinzunehmen. Zum Beispiel, wie diese beiden Berufsfischer ganz spontan an matschigen Ästen riechen, die in ihrem Netz stecken und nach Pfefferminze und Kardamom riechen. Man kann es kaum glauben, es gibt auch keine Erklärung dafür, aber es ist so. Es ist eine ganz eigentümliche Welt. Das habe ich subjektiv geschrieben, weil ich ein bisschen bei der Fischerei mitgeholfen habe. Da ich selbst Angler bin, habe ich die Welse mit rausgehoben und andere Fische abgeschlagen. Insofern war die erste Person gerechtfertigt. Ich habe ganz gute Rückmeldungen von Kollegen bekommen zu dem Text, das wäre mein Erfolgskriterium.
Meistens wird darauf abgezielt, dass es die Zielgruppe, den Rezipienten, angehen muss, was geschrieben wird. Nachdem, was Sie jetzt erzählt haben, scheint es auch wichtig zu sein, wenn es den Journalisten auch angeht, worüber er schreibt?
Absolut. Das ist eine Form der Freiheit, die man als Journalist haben muss und haben kann, wenn man für eine Redaktion arbeitet, die einen mit den entsprechenden Mitteln freistellt. Ich mache das jetzt neben meiner Arbeit als Professor, das ist nochmal eine ganz eigene Situation. In meinem Beruf habe ich eine starke Zeithoheit und kann diese journalistisch Arbeit einbauen, weil es natürlich reinpasst. Man muss die richtigen Stilformen haben, um eigene Themen bearbeiten und die Sprache nutzen zu können, die einem selbst gefällt. Das sind schon gewisse Faktoren, die einem da im Reporterjournalismus entgegenkommen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die meisten Kollegen und Kolleginnen Terminjournalismus machen und in Lokalredaktionen, bei Nachrichten-Agenturen oder bei kleinen Radios arbeiten. Wir müssen immer ganz stark schauen, was wir hier vergleichen. Die Kollegen haben ganz andere Arbeitszwänge als jemand, der lange Stücke macht. Aber diese Journalisten, die Langformen verfassen, leben davon, dass sie sich Themen aussuchen. Sie suchen sich Aspekte von Themen aus, die ihnen selbst Spaß machen oder auf die sie absolut neugierig sind, weil sie davon überhaupt keine Ahnung haben.
Aus Ihrer Beobachtung, sowohl als Journalist als auch als Journalistik-Professor, welche Themen sind es, die momentan im Klima- oder Umweltjournalismus besonders einfach zu veröffentlichen sind. Und bei welchen Themen sehen sie noch Nachholbedarf?
2019 und 2018 hatten wir auch hier vermehrt mit den Klimafolgen zu tun. Dadurch verändert sich der Klimajournalismus, er wird lokaler. Das wird auch weiterhin so gehen, da wir jetzt durch Trockenheit und so weiter in Deutschland massiv die Folgen spüren. Konkret heißt das, dass Wälder und Landwirtschaft im Moment ein starkes Thema sind. Das wird auch so bleiben. Dabei dreht es sich vor allem um biologische Landwirtschaft und um Wassermangel. Insgesamt um alles, wo es um Wasser geht - vor allem, um zu wenig Wasser. Ich schreibe gerade ein Buch über Flüsse und habe mit meinen Studierenden ein ganzes Reportage-Projekt an dem Fluss gemacht. Außerdem gibt es bei „RiffReporter“ (https://www.riffreporter.de/) die Kollegen, die über Flüsse berichten. Aber unsere kleinen Gewässer, also Seen, Teiche und Flüsse, sind noch relativ schwer an den Mann und an die Frau zu bringen. Denn dazu gibt es weniger Debatten als zu Rhein, Bodensee oder Elbe. Durch die Krefelder Studie sind das Artensterben und Artenschwund in den letzten drei Jahren deutlich mehr thematisiert worden. Da gab es allerdings eine Verzerrung hin zu Insekten und zu Honigbienen. Ich würde mir wünschen, viel mehr über Artensterben bei Fischen oder Amphibien zu lesen. Da sieht es ganz düster aus. Über Vögel haben wir jetzt ein bisschen mehr gehört. Aber ich würde mir vielmehr wünschen, den Klimawandel und die Artenthematik stark zu verbinden. Die Natur, die Landschaft, ist im Prinzip die vertraute Ladentheke, in der wir die konkreten Auswirkungen des Klimawandels sehen. Das ist ein bisschen wie beim globalen Handelsgeschehen und der Supermarkttheke. Die Bühne für die Folgen des Klimawandels sind unsere Landschaften. Dort sehen wir natürlich auch die Folgen. Wir könnten aber auch Klimageschichten aus Krankenhäusern machen, weil Klimafolgen viel mit Krankheiten, Allergien und Stress zu tun haben.
Sind Sie in Ihrer Arbeit oder im privaten Umfeld auch mit Social-Media-Kommentaren unter Ihren Artikeln konfrontiert, die Sie persönlich angreifen oder beleidigen?
Nein, das war zwar gar kein formeller Beschluss von mir, aber ich halte mich schon immer ganz intuitiv größtenteils aus solchen Debatten raus. Manchmal gebe ich was dazu bei Twitter, jetzt auch ein bisschen öfter. Aber eher im Rahmen von fachlichen Meinungen. Ich begebe mich bewusst selbst kaum in solche konfliktträchtigen Streitereien, weil ich das viel lieber, wenn es geht, persönlich mache. Natürlich gibt es diese Kommentare auch immer mal wieder unter meinen Beiträgen. Da habe ich auch mal drauf Bezug genommen, aber es spielt bei mir keine große Rolle.
Kommen Sie auch gar nicht in die Versuchung, in den Kommentaren mal in eine Argumentation einzusteigen?
Nein, das ist eine Debattenwelt, aus der ich mich zurückgehalten habe. Ich kenne das natürlich, ich habe durchaus Reaktionen bekommen, als „Grüner Journalismus“ online ging. Da haben wir von rechtspopulistischen Medien solche Kommentare und Mails mit Beleidigungen bekommen. Das ist mir alles nicht fremd.
Sie haben da auch keine Strategie irgendwo, die Sie teilen würden.
Ich weiß durch die Forschungsarbeiten unserer Absolventen und durch Gespräche mit Journalisten, dass die Redaktionen in Deutschland damit höchst unterschiedlich umgehen. Dazu haben wir gerade eine tolle Masterarbeit! Es gibt da keine reine Lehre. Besser ist es schon, Personal zu haben, zu kommentieren und auch einen Kodex zu haben mit Regeln für Fälle, bei denen man nicht mehr kommentiert. Oder manchmal die entsprechenden Leute dann stummzuschalten.
Wenn Sie so insgesamt die Medienlandschaft betrachten, gibt es irgendwelche besonderen Erfolgsfaktoren, Bildauswahl, Sprachbeispiele oder Medien, die für die Klimakommunikation oder den Klimajournalismus als vorbildlich gelten könnten?
Das eine sind die konstruktiven Ansätze, mit denen Handlungsmöglichkeiten, Lösungen und Erfolge aufgezeigt werden. Das mögen die Menschen. Das brauchen wir auch, aber eben nicht nur. Beim Klima ist erstmal immer der faktische Rahmen, der Krisenrahmen und das Warnende, wichtig. Aber das sollte dann in Hinblick auf eine bessere Gesellschaft erweitert werden und Klimakommunikation mit Werten wie Glück, Selbstbestimmung und Freiheit verbunden werden. Wir sind alle ganz gerne frei von stetem Stress, permanenter Eile und Wettbewerbszwang, vor allem aber auch frei von dreckiger Luft, vollen Straßen, lauten Städten, von schmutzigem Wasser, ausgelaugten Böden, sterbenden Wäldern und einer Landschaft ohne Arten. Von diesen ganzen Dingen wären wir gerne frei. Stellen Sie sich doch mal vor, was für Zeit und Energie wir hätten, wenn wir diese ganzen Debatten für etwas Anderes aufwenden könnten. Diese Freiheit muss mitbedacht werden. Da sind wir, glaube ich, erst ganz am Anfang. Ansonsten geht es natürlich um gut erzählte Geschichten und unentdeckte Heldenkonstellationen wie etwa die Landfrau und der Klimawandel. Also alte Protagonisten und neuere Botschaften. Oder umgedreht alte Botschaften, wie zum Beispiel den Sonntagsbraten als Symbol für wenig Fleischkonsum für neuen Zielgruppen. Es ist gut, immer etwas Altes und Neues zu mischen, weil wir in der Klimakommunikation mittlerweile viele Wiederholungen haben. Wir könnten jetzt viel über ungewöhnliche Bilder reden. Aber auch vor allen Dingen ist es wichtig, die Narrative zu verbreitern. Es geht um die sinnstiftenden Erzählungen jenseits von Wirtschaft, Technologie und Politik. Wir müssen auch auf die Ebene von Werten, Ethik und Freiheit kommen und mit Psychologie, Schönheit, Ästhetik und Spiritualität arbeiten. Das sind unterschätzte Bereiche. Ich selbst bin Buddhist und habe mich auch dieses Jahr zum ersten in einem Vortrag Mal mit ökologischem Buddhismus auseinandergesetzt.
Haben sie ein konkretes Beispiel für die Arbeit mit Psychologie, Schönheit, Ästhetik und Spiritualität im Journalismus?
Ich wohne am Wald und bei mir vorm Haus wurden vor zwei, drei Tagen die großen Buchen gefällt. Denn durch die Trockenheit wurden sie von Pilzen befallen. Dort habe ich mit einem sehr deprimierten Holzrücker gesprochen, der seit 30 Jahren in diesem Wald arbeitet und jetzt diese von der Trockenheit kaputt gegangenen großen Buchen ummachen muss. Bei dem psychologischen Porträt dieses hemdsärmeligen Menschen in die Tiefe zu gehen und seine Trauer zu zeigen - das brauchen wir jetzt, um die menschliche Dimension der Klimafolgen einzufangen. Die Geschichten führen uns jetzt zu den Förstern, zu den Fischern, zu den Anglern, zu den Gärtnern, Bauen und Holzfällern wie auch Biologen - zu allen Leuten, die im Wald und am Wasser arbeiten und so weiter. Wenn wir jetzt deren psychologische Dimensionen aufspannen, sehen wir, was der Klimawandel menschlich bei uns bedeuten kann.
Ein Teil unseres Projekts, beschäftigt sich auch mit Unterrichtsmaterial für Schüler der Klassen 7 bis 10. Was würden Sie denen mitgeben, wie sie mit Ihren Eltern über Klima- und Umweltthemen kommunizieren können?
Sie sollten Ihre Eltern auch auf die Straße bringen, denn das haben wir ganz lange, viel zu wenige gehabt. Wir haben eine Privatisierung der Nachhaltigkeit gehabt. Die Frage ist oft, was ich selbst tun kann durch Veränderung etwa bei Mobilität, Konsum, Essen und so weiter. Das ist auch sehr wichtig, aber es ist nur eine Säule der Veränderung.
Eine weitere Säule ist die Politisierung. Also letztendlich die Gesetze einfordern, was „Fridays for Future“ jetzt macht. Denn die Politiker in diesem Bereich haben sich lange geweigert, Gesetze zu machen. Auf die Straße zu gehen und diese harten Sanktionen durch konkrete gute Gesetze einzufordern, das hat lange gefehlt. Das haben wir jetzt zum Glück. Über den Wandel zu reden, auf die Straße zu gehen, zu protestieren, aber auch an den wichtigen Stellschrauben etwas zu machen: die Flüge zu reduzieren, vielleicht zu kompensieren und nicht nur die Kleinigkeiten zu betrachten. Und auf jeden Fall wichtig ist der Naturkontakt. Geht raus, versteht die Natur, nehmt Kontakt zu ihr auf, macht dort was, webt euch ein, seid auch offen für Gefühle dort, für Eindrücke. Seht es nicht nur als Folie oder als Schaufenster. Wir sind Naturwesen und haben lange den Dualismus gehabt, der strickt zwischen Mensch und Natur trennte. Es ist noch eine Nische, aber wir haben jetzt einige Ansätze, dass man den Dualismus ein bisschen aufbrechen kann. Und die Mitwelt, unser Wesen als Teil der Natur zu sehen und unsere Abhängigkeit von ihr zu begreifen, ist letztendlich der Schlüssel für Klimahandeln. Wir müssen uns als Wesen der Biosphäre neu wahrnehmen und uns mit ihr neu verbinden.
Vielen Dank für das Interview
Das Interview führte Matthias Linn am 24.9. 2019 während des K3-Kongresses in Karlsruhe.
Das BNE-Projekt „Keine Angst vor Komplexität“ wurde durch die Deutsche Bundestiftung Umwelt und die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert.
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Birthe Hesebeck
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