Es ist Waldbrand-Saison in Guatemala. Hunderte Feuer fressen sich durch die Wälder – auch im Nationalpark Sierra del Lacandón. Ist das „Baum für Baum“-Projekt in Guatemala in Gefahr?
16.05.2023 | von Christian Neeb
Die Temperaturen sind unbeschreiblich. Eine Hitzewelle mit mehr als 40 Grad Celsius – und dann noch die Glut der Brände. Eigentlich wollte Draney Aldana über seine kleinen Bäume sprechen. Aber gerade hat er andere Sorgen: Er muss verhindern, dass die Flammen den Wald seiner Heimat verzehren. Jeden Tag stehen er und Hunderte andere einer Feuerfront gegenüber. Der 23-Jährige studiert Forstwirtschaft, gemeinsam mit Dr. Kristina Osen von OroVerde koordiniert er die „Baum für Baum“- Aktivitäten in unserem Projekt im Norden Guatemalas.
Mit seiner Organisation, den Defensores de la Naturaleza, arbeitet OroVerde schon lange zusammen. Für Draney Aldana ist es hingegen der erste große Job. Der Hobby-Drohnenpilot liebt es, Bäume zu pflanzen, sie wachsen zu sehen – und sein Werk aus der Luft im Bild festzuhalten. Doch bevor er wieder pflanzen und fliegen kann, muss er als Feuerwehrmann in den Einsatz. „Sowas lernt man nicht an der Uni“, sagt er. „Du stehst diesen Flammen gegenüber und musst handeln.“ Jetzt schauen auf einmal alle zu dem jungen Mann mit der Baseball-Cap auf. Er koordiniert die Löscharbeiten, schickt Einsatzteams an die schlimmsten Brandherde. Und er behält den Überblick, wenn es überall brennt.
Mais und Meth
Jedes Jahr um diese Zeit wird Guatemala von Waldbränden heimgesucht. Oft verursacht von Menschen, die Nutzflächen für die Aussaat bereit machen, mit Feuern die schnell außer Kontrolle geraten. Aber immer öfter geht es nicht um Mais, sondern um Methamphetamin. Drogenkartelle lassen im großen Stil Brände legen. Wo früher Bäume standen, dienen dann angebliche Viehweiden als Umschlagplätze für den Rauschgifthandel und in freigebrannten Schneisen können Kleinflugzeuge landen, für den Weitertransport von Kokain und Co. über die Grenze nach Mexiko. Aus welchem Grund es auch brennt – verheerend sind die Folgen für Mensch und Natur immer.
Noch lodern Feuer ein Stück nördlich der jungen Setzlinge, die Draney Aldana in der Region Petén gepflanzt hat. Aber ob der Wind sich dreht, weiß hier niemand. Ein erster Regen hat die Situation zwar an einigen Stellen entschärft, gebannt ist die Gefahr aber noch nicht. Vor einem Jahr ist das neue „Baum für Baum“-Projekt gestartet. Die Arbeit, die Aldana und die anderen leisten, ist kein Strohfeuer. In Petén geht es um viel mehr. Die Ergebnisse könnten vieles verändern – für die Menschen in Sierra del Lacandón, die Defensores de la Naturaleza und für OroVerde.
Testlabor im Regenwald
Zwei Orte werden bei „Baum für Baum“ bepflanzt, zwei Strategien erprobt. An einer Biegung des Grenzflusses Usumacinta klafft eine Schneise im Wald. Hier hat es vor Jahren gebrannt, der Boden ist verödet, zwei Meter hohes Gras nimmt kleinen Pflanzen und Bäumen Luft und Licht. An dieser Stelle experimentieren Aldana und OroVerde mit der „Trupppflanzung“. Dabei werden kleine Gruppen von heimischen Bäumen gleichmäßig über die Fläche verteilt angepflanzt. Mit der Machete verschafft Draney Aldana ihnen Raum zum Wachsen. Die Setzlinge kommen aus einer selbst angelegten Baumschule in der Nähe. Einige der Baumarten wachsen schneller, andere langsamer – und unterstützen sich dabei gegenseitig. So soll die Narbe zuwachsen, die das Feuer vor vielen Jahren in den Wald gerissen hat. Ein neues Blätterdach ist auch wichtig für viele waldbewohnende Tiere wie den Jaguar, dessen Revier durch die alte Feuerschneise noch zerschnitten ist. Gelingt das hier unten am Fluss, könnte die Technik auch an anderen Orten zum Einsatz kommen. Von 50 Hektar, die anfangs brach lagen, sind schon 20 bepflanzt und die Setzlinge wachsen an.
Ein Stück flussabwärts liegt der Ort La Técnica. Der zugehörige Gemeindewald hat in der Vergangenheit ebenfalls durch Feuer und Abholzung gelitten. Doch die Menschen von La Técnica wollen ihren Wald erhalten – mit der zweiten Strategie. Bei der „Anreicherungspflanzung“ werden heimische Nutzbaumarten zwischen die verbliebenen Bäume gepflanzt. So soll sich die Artenvielfalt erhöhen und die Wasser- und Temperaturregulierung verbessern. Die Waldbesitzer*innen werden bei der Auswahl der passenden Bäume und den notwendigen Pflegestrategien von Aldana und OroVerde beraten. Aktuell sind bereits 50 der angestrebten 100 Hektar auf diese Weise bepflanzt. Ein weiterer Testlauf für die Zukunft von Waldschutz und Wiederaufforstung.
Gemeinsam gegen die Flammen
Doch die Hilfe ist nicht einseitig. Die Menschen aus La Técnica unterstützen, im Gegenzug für den Einsatz von Draney Aldana, seinen Kampf gegen die Waldbrände in der Trockenzeit. Gerade jetzt ist das dringend nötig. „Die Situation ist deutlich angespannter als in den Vorjahren“, sagt Vinicio Mejia, der Direktor des Nationalparks. „Es gibt eine brisante Mischung aus klimatischen und politischen Bedingungen.“ Vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen im Juni würde von offizieller Stelle kaum noch Recht durchgesetzt.
Ein Kampf gegen Naturgewalten – und gegen wirtschaftliche Interessen. Denn abgebrannte Flächen werden teils illegal zum Verkauf auf dem Schwarzmarkt angeboten. „Baum für Baum“ ist davon nicht betroffen. Die Menschen aus La Técnica wachen über die Setzlinge. Ein Brandherd weniger, um den sich Draney Aldana kümmern muss. „Es geht um den Schutz unserer Wälder“, sagt der feuerlöschende Baumpflanzer. „Die Wälder, die so besonders sind und die wir von unseren Vorfahren geerbt haben.“
Die Zivilgesellschaft stärken und so die Gemeinden beim Kampf für den Erhalt des Regenwaldes unterstützen, das ist eines der Ziele der OroVerde-Projekte in der Sierra del Lacandón. Helfen Sie mit Ihrer Spende!