Es lässt sich nicht mehr ignorieren: Meinungsbildung findet immer mehr in den sozialen Medien statt - und dort spiegeln viele Kommentare, dass noch einiges an Bildungsarbeit und Kommunikation erforderlich ist, um das Thema Nachhaltigkeit wirklich in der Gesellschaft zu verankern.
In Online-Diskussionen ist der Ton manchmal sehr rau und nicht selten werden wissenschaftlich verifizierte Erkenntnisse einfach ignoriert oder von Laien heftig angezweifelt. Aber auch immer mehr sachliche Gegenstimmen steigen in die Diskussion ein und versuchen, eine gute Diskussionskultur zu ermöglichen. Diesen Menschen soll unsere Arbeit als Unterstützung dienen!
Wir haben uns gefragt: Welche Muster lassen sich in Online-Debatten oder auch bei Stammtischgesprächen ausmachen? Gibt es charakteristische Argumentationslinien oder typische (Ausweich-)Strategien? Und wenn ja, lassen sich dann auch Empfehlungen geben, wie man auf diese Aussagen reagieren kann? Welche Reaktionen auf Verzerrungen und Übertreibungen, auf Schuldzuweisungen und Ablenkungsmanöver können Stammtischgespräche und halbsachliche Diskussionen in konstruktive Bahnen lenken?
Um hier etwas mehr Klarheit zu gewinnen, hat OroVerde zunächst einmal typische Aussagen, die sich z.B. unter kontroversen Facebook-Posts finden, gesammelt. Auf der Suche nach einem System wurden im zweiten Schritt diese Aussagen geclustert. Was ist ihnen jeweils gemein? Welche Cluster lassen sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – häufig finden und zeigen beispielhaft „Argumentationslinien“ auf? In einem dritten Schritt wurde geschaut, welche Antworten sich anbieten und ob auch diesen etwas gemein ist.
Entstanden ist dabei unter anderem ein Poster zu typischen Reaktionsmustern verbunden mit konkreten Vorschlägen, wie sich am besten reagieren lässt. Ausprobieren lohnt sich!
Vorsicht: Wertverletzungen machen uns aggressiv - bleib auf Augenhöhe!
Doch noch ein Gedanke vorweg: Aus welchem Grund sind die Diskussionen eigentlich oft so heftig und unsachlich? Wodurch kommt es zu den vielen Überreaktionen, die sich vor allem in den Kommentaren der Social-Media-Kanäle beobachten lassen?
Die Antwort ist einfach: In der Regel ist die hohe Emotionalität der Debatten ein Zeichen dafür, dass wir die Sachebene verlassen haben und vielmehr auf der Ebene der Werte unterwegs sind. Anstelle eines Informationsaustausches geht es plötzlich um die Verteidigung eigener Überzeugungen und um verletzte Werte. Es wird versucht, mit "Wahrheiten" zu argumentieren, um zu zeigen, dass man im Recht ist und der andere falsch liegt. In solchen Augenblicken vergessen wir schnell, dass an der Sichtweise des anderen möglicherweise auch etwas dran ist und wir die allgemeingültige Wahrheit ebenfalls nicht kennen. Je komplexer die Zusammenhänge sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch wir noch Blickwinkel außer Acht gelassen haben.
Geht es uns um einen Schlagabtausch, können wir natürlich die Sichtweisen des Gegenübers ignorieren. Wenn wir dies tun, ist die Folge jedoch absehbar: Wir fordern eine Verteidigungshaltung heraus. Wollen wir jedoch mit Jemandem ins Gespräch kommen und ihn zum Nachdenken anregen, müssen wir dazu bereit sein, uns auch auf seine Sichtweise einzulassen. So lernen wir im besten Fall beide dazu und begegnen uns auf Augenhöhe.
Es gibt noch einen weiteren Grund für die hohe Emotionalität, und diese liegt in der persönlichen Betroffenheit. Denn wenn dein Gegenüber durch deine Forderungen plötzlich vor großen Problemen steht, sie ihn also aus seiner Sicht in eine Notsituation bringen – woher soll bei ihm die Begeisterung für deine Forderung kommen? Hierzu müsstest du zunächst eines tun: dich seiner tatsächlichen Probleme annehmen und mit ihm Lösungen suchen.
11 gängige Reaktionsmuster in Debatten rund um Klimawandel & Co.
Welche Antworten und Diskussionsbeiträge finden sich also unter Facebook-Posts? Wir haben etliche Diskussionen gespannt verfolgt und Kommentare gesammelt. Nach und nach entstand so eine lange Liste, sodass wir anfangen konnten, sie zu clustern, um zu schauen, ob uns dabei Muster auffallen. Wir verfolgten damit keinen wissenschaftlichen Anspruch (dafür müsste man die Datenmenge noch deutlich erhöhen und weiter Themenbereiche anschauen), uns ging es vielmehr darum, für unsere eigene Praxis erste Anhaltspunkte zu finden. Und diese gibt es bereits bei der Aussagensammlung, die wir zusammengetragen haben.
Im Folgenden stellen wir 11 Reaktionsmuster vor, denen wir regelmäßig begegnet sind.
„Ich alleine kann daran nichts ändern.“, „Auf mich kommt es dabei nicht an“, „Ist doch eh zu spät“ – wer hat diese Aussagen noch nie gehört? Wir gehen davon aus, dass jeder sie kennt – und manchmal sogar selber denkt.
„Das Thema ist mir egal. Ist nicht mein Problem.“, „Das ist es mir nicht wert.“ – ei diesem Reaktionsmuster wird deutlich, dass keine persönliche Betroffenheit und bislang auch kein tieferes Interesse am Thema bestehen.
"Das ist mir zu umständlich.“, „Das macht mir nur Stress in meinem Umfeld.“, oder auch „Das ist mir zu teuer“ – diese Aussagen spiegeln das Gefühl wider, Veränderung sei immer mit Aufwand und Anstrengung verbunden, sowohl zeitlich als auch finanziell. Und einen Nutzen, der dies rechtfertigt, sieht man nicht. Ein Muster, das dem Muster „Gleichgültigkeit“ sehr nahesteht, aber etwas andere Lösungsansätze erfordert.
„Da muss die Politik etwas tun. Nicht ich als Einzelner.“, „Um das zu regeln sind Gesetze da.“, „Andere sind viel größere Sünder als ich.“ – bei diesem Reaktionsmuster wird sehr geschickt die Verantwortung anderen zugeschoben, während man sich selber bequem aus der Pflicht stiehlt und zurücklehnt. Auch Schuld wird auf diese Weise manchmal bequem weitergereicht.
„Kümmert euch erst um die Schifffahrt, die sorgt für viel mehr Abgase als PKWs in den Städten.“, „Fliegen ist viel schädlicher als Fleisch essen, also lass mich in Ruhe“ – diese Aussagen können ein legitimer Hinweis auf Themenfelder sein, in denen größere Wirkungen erzeugt werden könnten – oder aber auch eine gekonnte Ausrede, selber erstmal nichts zu machen. Dass man sowohl das eine als auch das andere Thema angehen könnte, wird einfach ausgeblendet. Das Reaktionsmuster steht dem Muster „Falsche Fährte (11)“ oft nahe.
„Das ist ein Eingriff in meine Grundrechte!“, „Niemand macht mir mein Fleisch schlecht!“, „Ich lass mir doch nichts wegnehmen!“ – diese Aussagen fassen wir als Reaktionsmuster „Widerstand“ zusammen, denn hier wird massiv abgewehrt. Übrigens steht diese Reaktion häufig ohne direkten Bezug zu dem zuvor Gesagten/Geschriebenen, d.h., der Angriff bezieht sich oft auf Aussagen, die so gar nicht getroffen wurden. Wir können also davon ausgehen, dass hier häufig Werteverletzungen oder „Notsituationen“ vorliegen, die zu einer emotionalen Reaktion und zu Schubladendenken führen.
„Ihr Idioten…“, „… dumm wie Stroh…“ - dieses Muster ist häufig eine extreme Form des Widerstandes. Dabei wird die Sachebene komplett verlassen und zu persönlichen Angriffen übergegangen.
„Bio-Fleisch können sich nur Reiche leisten.“, „Ohne Fleisch schmeckt das Essen nicht.“, „Dann nehmt doch wieder Esel und Kutsche oder geht zu Fuß.“ – dieses Muster ist nah verwandt und möglicherweise einfach eine spezielle Ausprägung des Reaktionsmusters „Widerstand“.
Wer geschickt ist, hebelt Diskussionen schnell aus, indem er die Schwäche des Anderen als Scheinargument benutzt. „Solange du noch in den Urlaub fliegst, brauchst du mit deinen Umwelttipps nicht kommen!“. So wird Perfektionismus gefordert, ehe man sich selbst bewegt – und da man immer etwas finden wird, was der andere noch nicht macht, kann das Leben recht bequem sein.
Dies ist ein eher fachlich wirkendes Cluster mit Aussagen wie „Das Erdklima hat sich immer schon gewandelt.“, „Mehr CO2 ist gut für das Pflanzenwachstum und die Welternährung.“, „Mit Biolandbau kann die Menschheit nicht ernährt werden, dafür fehlen die Flächen.“, „Vegetarier essen Soja und dafür wird dann noch mehr Regenwald abgeholzt.“ – hier wird vermeintlich inhaltlich argumentiert – bloß eben oft mit nicht verifizierten Aussagen. Wir fassen diese Art an Antworten als Reaktionsmuster „Scheinargumente und falsche Fakten“ zusammen. Zumindest an Tagen, an denen wir nett sind. Manchmal kann man jedoch auch von Wissenschaftsleugnung sprechen. Wobei die Ursachen für diese Wissenschaftsleugnung vielfältig sein können und häufig identitätsschützend sind. (s. auch Konsistenzregel, Glaubensfalle, Ähnlichkeitsfalle auf dem Poster „Fallen & Chancen der Nachhaltigkeitskommunikation“.)
Anstatt aktiv zu werden lenke ich auf ein anderes Problem ab, schicke den Diskussionspartner also einfach auf eine andere Fährte. Statt z.B. regionale Produkte mit Biosiegel zu kaufen, rede ich mich raus: „Auch bei Bio gibt es immer wieder Skandale. Da kann man sich auch nicht drauf verlassen.“, „Bio aus Übersee ist auch nicht besser.“. „Auf Fleisch verzichten? Nein, schließlich haben Pflanzen auch Gefühle und spüren Schmerz.“.
Häufig überlagern sich die unterschiedlichen Reaktionsmuster und gehen ineinander über. Wie immer ist die Realität oft komplexer als wir es durch die Cluster abbilden können. Dennoch kann eine Clusterung dabei helfen, schneller zu erkennen, was gerade passiert – und wie sich möglicherweise passend reagieren lässt.
Reagieren oder nicht?
Wenn wir uns jetzt die verschiedenen Reaktionsmuster ansehen und überlegen, wie wir reagieren können, so stellt sich zunächst die Frage nach unserem Ziel. Was wollen wir erreichen? Bei den folgenden Vorschlägen geht es uns grundsätzlich darum, einen politischen Diskurs zu ermöglichen. Also um ein Öffnen des Gegenübers für andere Sichtweisen. Und um einen Erkenntnisgewinn für uns selbst: Was sind die Bedenken meines Gegenübers? Wir wollen den Blick auf beiden Seiten weiten, um das System, in dem wir uns bewegen, besser zu verstehen, um zum Nachdenken anzuregen und um ins Gespräch zu kommen. Denn nur so kann es dauerhaft gelingen, gesellschaftliche Spaltungen zu reduzieren und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.
Jetzt kann man natürlich befürchten, dass dies nicht mit jedem Gegenüber möglich ist. Und dem ist auch so. Wenn der Konflikt mit dem Gegenüber darauf beruht, dass seine Weltsicht und sein Selbstbild in Frage gestellt werden, es also ein Identitätskonflikt ist, werden die automatischen Abwehrmechanismen (Tilgung, Verdrängung, Vermeidung, Verneinung/Verleugnung, …) zur Stabilisierung des Selbst- und Weltbildes (siehe Anna Freud, 1957) so ausgeprägt sein, dass wir mit Argumenten kaum etwas bewirken können. Wir reagieren in diesem Fall auf Kommentare unter Posts nur, um die Aussage für das Umfeld, das mitliest, in den richtigen Rahmen zu stellen.
Die meisten Menschen sind jedoch zu den vielen Themen durchaus diskursbereit. Zu beachten ist hier v.a., dass politischer Diskurs immer auf unterschiedlichen Werten und moralischen Frames beruht. Treffen Menschen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen aufeinander, besteht die Herausforderung darin, den jeweils anderen zu verstehen und zugleich die eigene Perspektive begreifbar zu machen, ggfs. auch zu verteidigen. Erst so entsteht konstruktiver Streit.
Das Problem: Wir verdrängen meist, dass hinter dem Streit oder politischem Diskurs legitime Werte stecken, und erkennen diese beim Gegenüber nicht. Stattdessen schreiben wir den Un-Wert groß (also eine Überspitzung des Wertes, das „zu viel des Guten“: aus „Entscheidungsfreiheit“ wird so z.B. „Ignoranz der Probleme anderer“). Wenn dieser Unwert nun auch noch genau unserer „Allergie“ (s. Kernquadrat, Daniel Ofman) entspricht, wir also das Gefühl haben, dass unser Gegenüber unserem Kernwert entgegenhandelt, ist das Risiko groß, dass wir selber nicht mehr offen und sachlich reagieren. Sobald ein Mensch, dem z.B. „Entscheidungsfreiheit“ ein immens wichtiger Wert ist, sich bevormundet fühlt, neigt er dazu, direkt und unreflektiert in ein Abwehrverhalten zu gehen.
Wenn wir jedoch konstruktiven Diskurs wollen, bedeutet dies für das eigene Vorgehen zunächst einmal, dass wir …
- … den anderen als Diskussionspartner auf Augenhöhe wahrnehmen und dass wir akzeptieren, dass er (derzeit) eine andere Sichtweise hat (oder womöglich gerade selber aggressiv auf eine scheinbare Wertverletzung reagiert). Hier professionell vorzugehen bedeutet zunächst einmal, die Ecke des Gegners zu verlassen, um einen Schlagabtausch in ein Gespräch zu wandeln. Und das nicht als Inszenierung, sondern mit wirklichem Interesse an den Gedankengängen und Problemsichten der anderen Person.
- … unserem Gegenüber das geben, was er möglicherweise benötigt, um andere Perspektiven einzunehmen. Dies kann von der Sicherheit, ernst genommen zu werden, bis zu konkreten Lösungsideen reichen. Auch eine fachliche Rahmung und das Erzeugen von einem gemeinsamen Nenner oder Commitment spielen eine große Rolle.
Die "richtige" Antwort finden
In der untenstehenden Tabelle zeigen wir die Reaktionsmuster mit exemplarischen Antwortbeispielen auf. Folgende Strategien lassen sich dabei erkennen:
- ermutigen
- Lösungsansätze und erste Schritte anbieten
- fachlich richtig einordnen, ggfs. Zusammenhänge und Bedeutung aufzeigen
- Commitments erzeugen, gemeinsamen Nenner finden
- positive Unterstellungen oder Vorannahmen nutzen
- bei Widerstand deeskalieren und auf den anderen zugehen
- mit Fragen mehr über die Sichtweise des anderen erfahren
- ggfs. Situation verlassen und auf allgemeine Benimmregeln hinweisen
Wie gesagt, wir erreichen damit nicht alle Menschen, sondern lediglich die, die noch an einem Diskurs interessiert sind – und die, die über das Lesen der Kommentare versuchen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Lohnt sich das? Wir meinen Ja, denn wir gehen davon aus, dass die meisten Menschen aufrichtig daran interessiert sind, eine fundierte Meinung zu entwickeln. Wissenschaftsleugner und Lobbyisten, die bewusst Falschaussagen nutzen, um zu manipulieren, sind zwar laut, aber dadurch noch lange nicht die Mehrheit. Es braucht eine aktive Zivilgesellschaft, um ihnen ihre Grenzen aufzuzeigen – und die fachlich falschen Meinungen an einer diffusen Ausbreitung zu hindern.
Reaktionsmuster | Aussagenbeispiel | Ursache / Beschreibung | Lösung |
Ohnmacht | „Ich alleine kann daran nichts ändern.“ „Auf mich kommt es dabei nicht an!“ „Ist doch eh zu spät!“ | Das Problem scheint durch einen Einzelnen nicht lösbar – es überwältigt, man kann es nicht durchschauen und nicht direkt beeinflussen. | Ermutige dein Gegenüber! Sag zum Beispiel: "Ich kenne das Gefühl auch. Bei mir ist es so, dass ich dann in kleinen Schritten vorgehe. Ich fange erstmal an, die Dinge direkt vor meiner Nase zu verändern. Oder ich suche mir Gleichgesinnte, denn gemeinsam haben wir mehr Kraft und Ausdauer." Manchmal hilft es auch, den anderen in seinen Werten zu bestärken und an ihn zu appellieren, für diese einzustehen. So bestärkst du ihn in seinem Engagement. (siehe auch Konsistenzregel, Poster "Fallen und Chancen der Nachhaltigkeitskommunikation") |
Gleichgültigkeit | „Das Thema ist mir egal. Ist nicht mein Problem.“ „Das ist es mir nicht wert.“ | Die Bedrohung ist noch nicht groß genug; man glaubt, das Problem noch aus der Ferne betrachten zu können. Es wird einen schon nicht betreffen. | Hol' das Problem näher heran, erkläre, warum es deinen Gegenüber auch betrifft, warum es bedeutsam ist und welche Schritte jetzt gemacht werden können, um etwas zu ändern. Übrigens helfen hier auch positive Unterstellungen, die den gemeinsamen Nenner betonen: "Du willst doch auch nicht, dass …", "Dir ist doch auch wichtig, dass …" |
zu aufwendig | „Das ist mir zu umständlich.“ „Das macht mir nur Stress in meinem Umfeld.“ „Das ist mir zu teuer“ | Man hat das Gefühl, dass Veränderung immer nur mit Aufwand verbunden ist, sowohl zeitlich als auch finanziell. Und einen Nutzen, der diesen Aufwand rechtfertigt, sieht man nicht. | Zeige einfache Handlungsmöglichkeiten auf. Schaffe einen gemeinsamen Nenner und betone die große Bedeutung eures gemeinsamen Tuns. "Lass uns darauf einigen, dass…" Verdeutliche gegebenenfalls auch die Vorteile und Gewinne. Oft sind diese an anderer - manchmal überraschender - Stelle zu finden: zum Beispiel bekommst du mehr Qualität für dein Geld, du ernährst dich gesünder oder deine Lebensqualität erhöht sich. |
Verantwortung verschieben | „Da muss die Politik etwas tun. Nicht ich als Einzelner.“ „Um das zu regeln sind Gesetze da.“ „Andere sind viel größere Sünder als ich.“ | Es ist sehr einfach, die Verantwortung auf die Industrie, die Politik oder das System abzuwälzen - schließlich kann man ja gegen "die da oben" nichts ausrichten. Eigene Einflussmöglichkeiten werden ignoriert. Auch Schuld wird auf diese Weise manchmal bequem weitergereicht. | Bestätige, dass tatsächlich auch andere aktiv werden müssen. Und führe dein Gegenüber dann auf den eigenen Verantwortungsbereich zurück. Jeder Einzelne muss schauen, wo er selbst etwas beitragen kann. Jeder hat seine eigenen Hebel und ist für sein Tun verantwortlich. Nicht vergessen: Gemeinsam sind wir stark, denn wir bilden die Gesellschaft und den Staat. Also loslegen! |
Erst ist anderes dran | „Kümmert euch erst um die Schifffahrt, die sorgt für viel mehr Abgase als PKWs in den Städten.“ „Fliegen ist viel klimaschädlicher als Fleisch essen, also lass mich in Ruhe.“ | Es gibt viele Felder, in denen gehandelt werden muss, und manche erzeugen mehr Wirkung als andere. Häufig wird jedoch ein fremdes Thema als Ausrede genutzt, um ein Thema, das einen selber betrifft, nicht anzugehen. Das man sowohl das eine als auch das andere Thema angehen sollte, anstatt die Themen gegeneinander auszuspielen, wird einfach ausgeblendet. | Ja, es gibt viele Bereiche, in denen etwas passieren muss. Allerdings geht es nicht um Entweder-oder. Gerade beim Thema Klimaschutz müssen wir aufgrund der Dringlichkeit jede Chance nutzen. Hier könntest du mit einer Frage antworten: „Ich versuche gerade nachzuvollziehen, wieso du meinst, man solle das eine lassen, um das andere zu machen. Geht nicht beides zugleich?“ Übrigens: Oft werden Themen aus nur einer Blickrichtung betrachtet. Bei dem Beispiel Schifffahrt versus PKWs wird häufig angenommen, es würde ganz allgemein über Klimaschutz bzw. Abgasmengen diskutiert. Bei den PKW-Abgasen geht es jedoch zusätzlich auch um den Gesundheitsschutz der Anwohner. Auch eine inhaltliche Antwort macht also Sinn: " Gerade Kinder atmen in Auspuffhöhe - und wir sind uns doch einig, dass die Gesundheit unserer Kinder ein hohes Gut ist?" |
Widerstand | „Niemand macht mir mein Fleisch schlecht!“ „Das ist ein Eingriff in meine Grundrechte!“ „Ich lass mir doch nichts wegnehmen!“ | Man hat den Eindruck, als würden immer mehr Freiheiten beschränkt werden. Mittlerweile sogar bei so persönlichen Dingen, wie Essen oder Urlaub. Deshalb stellen sich einige aus Prinzip quer. | Jetzt Vorsicht - pass auf, dass du nicht reflexhaft emotional reagierst! Versuche zu erkennen, welchen Wert dein Gegenüber gerade so bedroht sieht, dass er sich wehrt oder gar angreift. Sorge als erstes für Entspannung und gehe einen Schritt auf dein Gegenüber zu. Sorge für eine gemeinsame Basis. "Kein Problem, an Fleisch ist erstmal nichts Schlechtes. Gesund aufgezogene Tiere auf der Weide beim Bio-Bauern nebenan sind überhaupt kein Problem. Doch industrielle Formen der Tierhaltung mit Folgen wie Überdüngung, Nitratbelastung im Grundwasser, (…) – das willst du doch auch nicht. Wir sind auf der Suche nach einem besseren Weg." Anstatt das Trennende hervorzuheben, betone das Gemeinsame. |
Beleidigung | "Ihr seid einfach zu blöd!" "Habt ihr euren Verstand verloren?!" | Hier wird nach dem Motto vorgegangen, Angriff ist die beste Verteidigung. Nur, sie ist es eben nicht … | Benenne einmal den Stil als nicht hilfreich; weise auf die Erwartung hin, dass erwachsene Menschen in der Lage sind, höflich und respektvoll miteinander umzugehen. Den Kommentar dann ignorieren oder mit Hinweis auf die Regeln des Anstands löschen. |
Übertreibung / Pauschalisierung | „Ohne Fleisch schmeckt das Essen nicht.“ „Bio-Fleisch können sich nur Reiche leisten.“ „Dann nehmt doch wieder Esel und Kutsche oder geht zu Fuß.“ "Die Politiker denken ja doch alle nur an ihre Karriere." | Übertreiben und ins Lächerliche ziehen sind Strategien, um sich nicht ernsthaft mit einem Thema befassen zu müssen. | Lass dich nicht provozieren. Bleibe sachlich. Vermutlich hast du über Lösungen für das Grundproblem schon nachgedacht und Lösungsvorschläge für dein Gegenüber. „Ohne Fleisch schmeckt das Essen nicht? Du, ich hab da ein paar Rezepte, die waren echt super…" |
Kehr vor deiner Tür | „Solange du noch in den Urlaub fliegst, brauchst du mir nicht mit deinen Umwelttipps kommen!“ | Um die eigene Unzulänglichkeit zu überspielen, wird die Schwäche des Gegenübers als Scheinargument genutzt. So wird Perfektionismus gefordert, ehe man sich selbst bewegt – und da man immer etwas finden wird, was der andere noch nicht macht, kann das Leben recht bequem sein. | Stimmt, jeder sollte offen dafür sein, etwas besser zu machen, das gilt auch für einen selbst. Aber dies ist kein Perfektionismus-Wettbewerb! Jeder ist für das eigene Tun verantwortlich - und könnte sogar als Vorbild vorangehen. |
Scheinargumente / falsche Fakten | „Das Erdklima hat sich immer schon gewandelt.“ „Mehr CO2 ist gut für das Pflanzenwachstum und die Welternährung.“ „Mit Biolandbau kann die Menschheit nicht ernährt werden, dafür fehlen die Flächen.“ „Vegetarier essen Soja und dafür wird dann noch mehr Regenwald abgeholzt.“ | Es wird unzuverlässigen Quellen geglaubt, vor allem, wenn sie eine schon vorher gefasste Meinung bestätigen. Und je weniger man von einer Sache weiß, umso überzeugter ist man oft von der Richtigkeit seiner Meinung. | Ohne rechthaberisch zu sein: Falsche Aussagen sollte man korrigieren und richtig in den Kontext einordnen. Schließlich kann die Ursache Unwissenheit sein. Hör gut zu, sei wertschätzend und höflich, wenn du antwortest. Du kannst auch einen anderen Weg gehen. Anstatt fachlich zu antworten, stellst du Fragen nach der Quelle der Informationen. Du hinterfragst, wie seriös diese Quelle ist, und gibst deinem Gegenüber so Anregung, seine Quellenwahl und Meinung zu überdenken. |
Falsche Fährte / Ablenkung | „Auch bei Bio gibt es immer wieder Skandale. Da kann man sich auch nicht drauf verlassen.“ „Bio aus Übersee ist auch nicht besser.“ „Pflanzen haben auch Gefühle und spüren Schmerz. | Anstatt aktiv zu werden, lenkt man auf ein anderes Problem ab, schickt den Diskussionspartner also einfach auf eine andere Fährte. Die ursprünglichen Argumente kann man so ignorieren, da sie aus dem Fokus der Diskussion rutschen | Zeige auf, warum der Vergleich hinkt und die Argumente nicht entkräftet. Am besten mit einem Schmunzeln, denn dein Gegenüber weiß ganz genau, dass er nicht sauber gearbeitet hat. Nimm es ihm nicht übel und lass ihn gesichtswahrend raus. Wenn dein Gegenüber es nicht lassen kann, dich immer wieder mit falschen Fährten ablenken zu wollen, weise darauf hin und zieh dich raus. Denn dann ist anscheinend kein ehrlicher Austausch gewünscht. |
Autorin: Birthe Hesebeck; Projektteam: Birthe Hesebeck, Matthias Linn, Lektorat: Melissa Brosig
Das BNE-Projekt „Keine Angst vor Komplexität“ wurde durch die Deutsche Bundestiftung Umwelt und die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert.
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Birthe Hesebeck
Bereichsleiterin
Öffentlichkeitsarbeit Bildung für nachhaltige Entwicklung
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