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Gewalt und Elend sind in Haiti an der Tagesordnung. Jetzt droht die öffentliche Ordnung zu zerbrechen. Doch in den Projekten von OroVerde abseits der Hauptstadt trotzen die Menschen dem Leid – und kämpfen weiter für eine Zukunft im Einklang mit der Natur.

11. April 2024 | von Christian Neeb

„Es geht, es geht“, sagt Pierrot Montrevil. „Wir sind hier. Wir leben. Der Stress ist groß. Aber vielleicht schaffen wir es.“ Die Stimme von Montrevil kommt klar aus dem Lautsprecher. Der technische Koordinator von Concert-Action des OroVerde-Projekts KlimaWald sitzt vor einer kahlen, weiß getünchten Wand in seinem Büro im Norden Haitis. Die Leitung ist stabil. Der Anruf ist möglich, obwohl in anderen Teilen des Landes die Kommunikation zusammengebrochen ist. Genau wie die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Die öffentliche Ordnung liegt im Zentrum des Landes in Trümmern. Haiti steht in Flammen.

Der Inselstaat in der Karibik hat eine lange Geschichte von schweren Prüfungen. Naturkatastrophen wie die Hurrikane 2004 und 2008 haben Tausende Menschen das Leben gekostet und Existenzen zerstört. Armut und Hunger sind an der Tagesordnung. Hinzu kam das zerstörerische Erdbeben im Januar 2010. Und nun eskaliert auch die Gewalt in dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre. 

Bewaffnete Banden haben die Hauptstadt Port-au-Prince unter ihre Kontrolle gebracht. In den vergangenen Wochen gingen mehrere Polizeistationen und andere öffentliche Gebäude in Flammen auf. Rund um die Hauptstadt Port-au-Prince bekämpfen sich schwer bewaffnete Banden und die Polizei.

Der Interimspräsident hat seinen Rückzug erklärt. Eine internationale Polizeimissionen und ein Übergangsrat sollen nun bald Ordnung schaffen – sind jedoch weiterhin nicht im Einsatz. Währenddessen steigt die Zahl der Toten in die Tausende. Dieses Mal nicht von einer Naturgewalt umgebracht, sondern von anderen Menschen. Das UNO-Menschenrechtsbüro warnt in einem Bericht vor einer „katastrophalen Lage“ in dem Inselstaat.

„Die Wahrscheinlichkeit einer Landung ausländischer Streitkräfte wird immer größer“, sagt Montrevil. „Mit dem Erstarken der Banden und den Gräueltaten, die sie jeden Tag begehen, mit der Notfallevakuierung von Ausländern, gibt es immer weniger Grund, an einer solchen Möglichkeit zu zweifeln. Die Frage ist nur, wie lange es noch bis dahin dauert.

 

Kap der Hoffnung

In Cap-Haïtien im Norden ist die Lage noch nicht so schlimm. Hier hat Montrevil sein Büro für die OroVerde-Partnerorganisation Concert-Action. Gemeinsam mit der Welthungerhilfe betreiben die Partner das Projekt KlimaWald. Das Ziel: Dort, wo die Klimakrise schon jetzt schlimme Auswirkungen zeigt, Konzepte zur Anpassung entwickeln und umzusetzen. Damit Menschen eine Ernährungsgrundlage haben und auch die Natur sich erholen kann.

Aber wie funktioniert das, wenn weite Teile des Landes in Aufruhr sind? „Hier im Norden sind wir nicht direkt von den Angriffen und den Plünderungen betroffen“, sagt Montrevil. „Aber die Unsicherheit bleibt. Und sie erstreckt sich über das ganze Land.“ Trotzdem läuft das Projekt weiter. Denn bereits in normalen Zeiten könnten die unterstützten Familien kaum für sich selbst sorgen. Jetzt verschärft sich ihre Lage noch weiter. Treibstoffknappheit und Warenblockaden bringen Bevölkerung und Helfer*innen zunehmend an ihre Grenzen.

„Die Menschen sind Kummer gewohnt“, sagt Jonas Baumann von OroVerde. „Die große Stärke der Partner in Haiti ist ihre Flexibilität.“ Trotzdem laufen die Projektaktivitäten weiter. „Wir müssen jetzt einfach weitermachen“, sagt Montrevil. „Es macht mir Sorgen, die Menschen in dieser Situation allein zu lassen.“

Maßnahmen gegen das Leid

Damit es dazu nicht kommt, überwacht Montrevils Team den Projektfortschritt, um rechtzeitig Anpassungen vorzunehmen. Alle Beteiligten unterliegen strengen Sicherheitsregeln. Reisen sind auf das Notwendigste beschränkt und werden nach Einbruch der Dunkelheit wegen der Gefahr von Überfällen vermieden.

Bargeldtransporte sind für das Personal zu riskant. Neue Möglichkeiten für den Geldtransfer innerhalb des Projekts werden erprobt. Nur so können die Aktivitäten weiter finanziert werden. Außerdem legt Concert-Action Treibstoffvorräte an, um für eine weitere Verknappung gewappnet zu sein. Auch das Thema Kommunikation steht auf der langen Liste von Montrevil und seinen Mitarbeiter*innen. Da häufig Telekommunikationsantennen mit Dieselgeneratoren betrieben werden, fällt an vielen Orten auch der Internetzugang und die Telefonie aus. Darum wird der Ausbau des von Satelliten gestützten Starlink-Systems vorangetrieben.

Solange es um diese konkreten Schritte geht, ist Montrevil laserscharf fokussiert. Nur bei einer Frage stockt ihm kurz die Stimme. 

„Ja, ein Teil meiner Familie ist etwas weiter entfernt von der Hauptstadt. Aber ein Teil ist auch in Port-au-Prince“, sagt er. „Jeden Tag wird eine neue Zone angegriffen. Und dann frage ich mich: Wie sollen sie es schaffen, wenn ihre Nachbarschaft attackiert wird. Wie sollen sie es schaffen, sich zu retten?“

Eine Antwort hat Montrevil nicht auf seine Frage. Er macht das, was er kann. Den Familien der anderen zu helfen, hier im Norden Haitis.

Ihr Pressekontakt

Christian Neeb
Presse + Öffentlichkeitsarbeit
0228-24 290 49
cneeb[at]oroverde[dot]de

Förderer Projekt KlimaWald

Das Projekt ist Teil der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI). Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) fördert die Initiative aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.

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Fotonachweis: OroVerde - J. Horstmann (Titelbild), OroVerde - K. Weinhold (J. Horstmann und P. Montrevil im Gespräch), OroVerde - J. Baumann (Workshop, Waschen am Fluss).